Der Canyon
konsultierte die Notizen, die er sich auf der ersten Seite des Aufsatzes gemacht hatte. »Sie sind jetzt seit fünf Jahren am Museum, nicht wahr?«
»So ist es.«
»Sie haben an der Columbia promoviert … Und seitdem leisten Sie hervorragende Arbeit im Mineralogielabor als … Technische Assistentin?« Ihre bescheidene Stellung überraschte ihn offenbar.
Melodie schwieg.
»Nun, wie mir scheint, ist es höchste Zeit für eine Beförderung.« Peale lehnte sich zurück und schlug ein Bein über das andere. »Dieser Aufsatz ist sehr vielversprechend, Melodie. Natürlich ist er kontrovers, das war nicht anders zu erwarten, aber der Wissenschaftliche Ausschuss hat ihn sich sorgfältig angesehen, und allem Anschein nach werden Ihre Ergebnisse eingehender Überprüfung standhalten.«
»Ganz sicher.«
»Das ist die richtige Einstellung, Melodie.« Peale räusperte sich geziert. »Der Ausschuss hatte allerdings den Eindruck, Ihre Hypothese, diese, äh, Venus-Partikel könnten eine außerirdische Mikrobe sein, sei vielleicht ein wenig verfrüht.«
»Das überrascht mich nicht, Cushman.« Melodie zögerte; es fiel ihr schwer, seinen Vornamen zu benutzen. Gewöhn dich besser dran, dachte sie. Die ehrerbietige kleine Assistentin, die es allen recht machen wollte, war Vergangenheit. »Jeder größere wissenschaftliche Fortschritt macht es erforderlich, sich zu exponieren und damit auch Kritik auszusetzen. Aber ich bin überzeugt, dass die Hypothese standhalten wird.«
»Freut mich, das zu hören. Ich bin ja schließlich nur Museumsdirektor« – er kicherte bescheiden – »und daher kaum berufen, Ihre Arbeit zu beurteilen. Aber man hat mir versichert, sie sei recht ordentlich.«
Melodie lächelte höflich.
Er lehnte sich zurück und legte die Hände auf die Knie. »Ich habe mich also mit dem Wissenschaftlichen Ausschuss unterhalten, und soweit ich das überblicke, möchten wir Ihnen gern eine Stelle als Wissenschaftliche Mitarbeiterin eines Kurators in der Abteilung für Wirbeltierpaläontologie anbieten. Das ist eine sehr gute Tenure-Track-Position, die, sofern sich alles erfreulich entwickelt, nach entsprechender Zeit zu einer Berufung auf den Humboldt Chair führen wird, den der verstorbene Dr. Corvus vielleicht bekommen hätte, wenn er noch am Leben wäre. Selbstverständlich ist damit eine entsprechende Gehaltserhöhung verbunden.«
Melodie ließ eine unangenehme Pause entstehen, bevor sie antwortete: »Das ist ein großzügiges Angebot«, sagte sie. »Ich weiß es zu schätzen.«
»Wir kümmern uns um unsere Leute«, sagte der Direktor großspurig.
»Ich wünschte, ich könnte es annehmen.«
Peale fielen die Hände von den Knien. Melodie wartete.
»Sie erteilen uns eine Absage, Melodie?« Peale starrte sie ungläubig an, als sei die bloße Vorstellung, jemand könnte nicht am Museum bleiben wollen, absurd, undenkbar.
Melodie hielt ihre Stimme ganz ruhig. »Cushman, ich habe fünf Jahre lang in diesem Keller gesessen und erstklassige Arbeit für das Museum geleistet. Nicht ein Mal hat man mir auch nur einen Hauch Anerkennung dafür gezollt. Nicht ein Mal habe ich ein Dankeschön gehört, abgesehen von einem beiläufigen Schulterklopfen. Und dabei habe ich weniger verdient als der Mann, der meinen Mülleimer ausleert.«
»Aber selbstverständlich haben wir Ihre gute Arbeit bemerkt …« Peale war verblüfft. »Und das wird sich jetzt alles ändern. Außerdem möchte ich behaupten, dass unser Angebot auch nicht in Stein gemeißelt ist. Vielleicht sollten wir es dem Wissenschaftlichen Ausschuss noch einmal vorlegen und zusehen, ob wir nicht mehr für Sie tun können. Vielleicht wäre sogar eine Position als außerordentliche Kuratorin möglich.«
»Ich habe bereits eine Position mit akademischem Titel in Harvard abgelehnt.«
Peales Brauen schossen in die Höhe, ein Ausdruck völliger Fassungslosigkeit, die er rasch zu überspielen versuchte. »Du meine Güte, die waren aber flott.« Er brachte ein angestrengtes Lachen zustande. »Was für ein Angebot? Wenn ich fragen darf.«
»Den Montcrieff Chair.« Sie versuchte, sich das Grinsen zu verkneifen. Verdammt, das machte vielleicht Spaß.
»Einen Lehrstuhl? Nun, das ist ja … ganz außergewöhnlich.« Er räusperte sich, rutschte auf seinem Stuhl zurück und rückte seine Krawatte zurecht. »Und Sie haben abgelehnt?«
»Ja. Ich gehe mit dem Dinosaurier … zur Smithsonian Institution.«
»Zum Smithsonian?« Bei der Erwähnung des größten Rivalen errötete
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