Julia Extra Band 0292
1. KAPITEL
„Okay, Blaze! Das ist es! Wirf deine fantastische Mähne zurück und strahle! Lächle das Kind an. Vergiss nicht, es ist deine Tochter! Höher … noch höher! Perfekt! Einfach wundervoll, Darling ! Wun-der-voll!“
Mechanisch folgte sie den Anweisungen, ohne Gefahr zu laufen, auch nur ein Wort ernst zu nehmen. Das überschwängliche Lob des Kameramannes war ebenso künstlich wie ihre Beziehung zu dem brabbelnden Baby auf ihrem Arm. Oder wie der Spitzname, den ihr irgendjemand zu Beginn ihrer Karriere verpasst und der sie die Erfolgsleiter bis zum Supermodel hinaufgepuscht hatte. Entdeckt worden war sie als junges, unbedarftes Ding auf einer kleinen Modenschau, wo sie für einen karitativen Zweck auf dem Laufsteg herumstolzierte.
Doch was interessierte es die Presse oder Öffentlichkeit, dass sie diese Art Zurschaustellung längst satthatte? Oder dass sie unter der Flut der tizianroten Haarfülle, den Designerkleidern und dem raffinierten Make-up immer noch Libby Vincent war? Auch wenn sie gerade auf einer blühenden Sommerwiese stand und für eine Lotion warb, die ihre Haut angeblich so zart und weich wie die eines Babys machte.
Korrekt müsste es sogar Vincenzo heißen, dachte Libby und schnitt innerlich eine Grimasse. Und wer oder was bin ich tatsächlich? Nichts weiter als eine durchschnittliche junge Frau mit einem durchschnittlichen Hintergrund, die weder vor ihren Wurzeln noch vor dem erdrückenden Schuldgefühl davonlaufen kann, sosehr sie es auch versucht …
„Okay! Das war’s! Wunderbar, Darling ! Einfach perfekt!“
Mit einem unhörbaren Seufzer ließ sie die Arme sinken und damit auch das Kind. Plötzlich verspürte sie nur noch Erleichterung, weil das Foto-Shooting endlich vorüber war. Keine Sekunde länger hätte sie es aushalten können.
Während Libby durch das hohe Gras schritt, schwang das schneeweiße Batistkleid im Country-Style um ihre schlanken Fesseln. Das kleine Mädchen, das Libby mehr widerwillig in ihren Armen wiegte, strahlte sie zahnlos an und klammerte sich mit seinen winzigen Fingern am Ausschnitt ihres Mieders fest.
Libby sog scharf den Atem ein, als sie sich von einem wilden Verlangen überschwemmt fühlte, dieses kleine Wesen fest an ihre Brust zu drücken und nie wieder loszulassen. Ihre zarten Gesichtszüge gefroren zur Maske, und mit letzter Kraft legte sie den Weg bis zur mobilen Schminkstation zurück, wo das gesamte Team auf sie wartete.
„Hier …“ Die unterdrückten Emotionen ließen ihre Stimme rau und brüchig klingen, als sie das Kind seiner Mutter fast in die Arme warf, woraufhin die Kleine in lautes Protestgeschrei ausbrach und die Ärmchen verlangend nach Libby ausstreckte. Doch die hatte sich bereits abgewandt.
„Ist sie nicht süß?“, fragte Fran, ihre rundliche Maskenbildnerin und selbst Mutter von zwei halbwüchsigen Jungen.
„Wenn du es sagst“, presste Libby hervor und strebte an ihr vorbei, um sich endlich in den großen grünen Wohnwagen flüchten zu können, der im Hintergrund stand.
„Eines darfst du nicht vergessen, Fran …“, hörte sie Steve Cullum spöttisch sagen. Er war einer der Techniker, der, so wie alle Männer am Set, von Libby eine höfliche Abfuhr kassiert hatte, als er sie zum Tanzen ausführen wollte. „In unserer Blaze steckt nicht ein mütterlicher Knochen. Vielleicht nicht einmal ein Herz … zumindest nicht für Männer“, fügte er gehässig hinzu.
Das war es, worüber die Presse ständig spekulierte … ihre Vergangenheit, das Fehlen von Männern in ihrem Leben, manchmal wurde sogar vermutet, sie wäre lesbisch.
„Gibt es vielleicht nur Eis unter dem Feuer?“, hatte einmal ein Klatschblatt getitelt, nachdem sie sich geweigert hatte, dem aufdringlichen Reporter Einsicht in ihr Privatleben zu gewähren oder wenigstens ihre Einstellung zu Ehe, Familie und Kindern preiszugeben.
Warum sollte ich auch?, dachte Libby bitter. Das ist privat und geht die Öffentlichkeit nichts an. Außerdem ist es der Garant dafür, dass niemand meinen wahren Namen erfährt und dadurch womöglich eine Verbindung zu Luca herstellen kann.
Sie spürte einen heftigen Stich im Herzen beim Gedanken an den charmanten Draufgänger, den sie vor Ewigkeiten geheiratet hatte und dessen junges kraftvolles Leben kaum ein Jahr später durch einen tragischen Autounfall beendet wurde. Sie hatte Luca geliebt, aber das war lange her, bevor ihre romantischen und zärtlichen Gefühle durch gewisse Umstände abgetötet wurden, die zu
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