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Der Chancellor

Titel: Der Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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unablässigen Entschädigungsansprüche; leider ist auch Miß Herbey genöthigt, an der Seite Jener zu verbleiben, und sehen wir das junge Mädchen sehr wenig oder gar nicht. Silas Huntly bekümmert sich um nichts, was auf das Schiff Bezug hat, der Seemann in ihm ist gestorben und der Mann vegetirt nur noch mühsam. Der Steward Hobbart versieht seinen Dienst, wie gewöhnlich, als befinde sich das Schiff auf der regelmäßigsten Ueberfahrt. Dieser Hobbart ist ein unterwürfiger Kriecher und unterscheidet sich sehr auffallend von seinem Koch Jynxtrop, einem häßlichen Neger mit brutalen und unverschämten Manieren, der sich mehr als nöthig zu den Matrosen hält.
    Zerstreuungen können an Bord natürlich nicht allzu häufig sein. Da kommt mir zum Glück der Gedanke, das unbekannte Riff, auf dem der Chancellor gestrandet ist, näher zu untersuchen. Der Ausflug wird weder weit sein, noch besondere Abwechselungen bieten, doch giebt er Gelegenheit, das Schiff auf einige Stunden zu verlassen und einen Boden zu untersuchen, der einen interessanten Ursprung haben muß.
    Uebrigens ist es von Wichtigkeit, daß der Plan dieses Riffes, das man noch auf keiner Karte verzeichnet findet, sorgfältig aufgenommen wird. Ich glaube mit den Herren Letourneur diese hydrographische Arbeit ausführen zu können, wobei wir dem Kapitän Kurtis natürlich die Sorge überlassen, sie durch genaue Aufnahme der geographischen Länge und Breite zu vervollständigen.Die Herren Letourneur stimmen meinem Vorschlage bei. Ein Boot nebst Tiefloth wird uns zur Verfügung gestellt, dazu ein Matrose zur Leitung desselben, und am Morgen des 31. Octobers verlassen wir den Chancellor.

XVIII.
    Vom 31. Oktober bis 5. November. –
    Wir haben damit begonnen, das Riff, dessen Länge eine Viertelmeile betragen mag, zu umfahren.
    Diese kleine »Umschiffung« ist bald beendigt, und wir bestätigen, die Sonde in der Hand, daß die Ränder des Gesteins unter Wasser sehr steil abfallen. Das Meer zeigt sich noch ganz nahe daran sehr tief, und es unterliegt kaum einem Zweifel, daß eine auf plutonische Kräfte zurückzuführende plötzliche Erhebung, ein heftiger Druck von unten, das Riff über die Meeresfläche gedrängt haben.
    Auch über den rein vulkanischen Ursprung des ganzen Eilandes ist gar nicht zu streiten. Durchweg besteht es aus ungeheuren Basaltblöcken, deren regelmäßige Prismen ihm das Aussehen einer gigantischen Krystallisation verleihen. Das Meer ist rund um den Rand des Riffes ganz wunderbar durchsichtig, und läßt die sonderbaren Bündel prismatischer Schafte erkennen, welche den merkwürdigen Bau tragen.
    »Das ist ein eigenthümliches Gebilde, bemerkt Mr. Letourneur, und gewiß neueren Ursprungs.
    – Ohne Zweifel, Vater, antwortet der junge André, und ich füge noch hinzu, daß es dieselbeUrsache, welcher z. B. die Insel Julia an der Küste Siciliens und die Insel Santorin im griechischen Archipel ihre Entstehung verdanken, gewesen ist, die dieses Eiland zur gelegenen Zeit erschuf, um den Chancellor darauf stranden zu lassen!
    – Eine Bodenerhebung in diesem Theile des Atlantischen Oceans, bestätige ich, muß nothwendig stattgefunden haben, da dieses Riff auch auf den neuesten Karten sich nicht verzeichnet findet, und schwerlich konnte es doch den Augen der Seeleute in dieser vielbefahrenen Gegend des Oceanes bis jetzt entgehen. Wir wollen es deshalb sorgfältig untersuchen und zur Kenntniß der Seefahrer bringen.
    – Wer weiß, ob es nicht in Folge eines ähnlichen Processes, wie dessen, der es erhob, nicht auch bald wieder verschwinden wird? antwortet Andre Letourneur. Sie wissen, Mr. Kazallon, daß solche vulkanische Inseln häufig nur von ganz ephemerem Bestande sind, und wenn die Geographen diese hier in ihre Karten eingetragen haben, existirt sie vielleicht schon nicht mehr.
    – Das thut Nichts, liebes Kind, wendet Mr. Letourneur ein. Es ist besser, vor einer nicht mehr vorhandenen Gefahr zu warnen, als eine tatsächlich bestehende geringschätzig zu übergehen, und die Seeleute werden sich deshalb nicht zu beklagen haben, wenn sie ein Riff auch nicht mehr da antreffen, wo wir ein solches fanden.
    – Du hast recht, mein Vater, erwidert André, nach Allem ist es ja auch möglich, daß ihm eine ebenso lange Dauer bestimmt ist, wie unseren Continenten. Wenn es aber verschwinden soll, so würde es Kapitän Kurtis gewiß gern sehen, daß es nach einigen Tagen, wenn er seine Havarien ausgebesserthat, geschähe, denn das würde ihm die

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