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Der Chancellor

Titel: Der Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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einander und das Meer erfüllt den ganzen, weiten Raum.
    Unbeweglich beobachtet Robert Kurtis den Ocean und vorzüglich im Westen. Mr. Letourneur und ich stehen nahe bei einander, achten auf seine geringsten Bewegungen und errathen alle Gedanken, die sich in seinem Gehirne jagen. Sein Erstaunen scheint groß zu sein, denn er mußte uns nahe dem Lande glauben, da das Schiff von den Bermuden aus immer nach Süden getrieben worden war, und doch ist kein Land in Sicht.
    In diesem Augenblicke verläßt Robert Kurtis das Oberdeck, begiebt sich auf der Schanzkleidung bis nach der Strickleiter des Großmastes, erklettert diese bis zum Mastkorb und von da aus an den Seilen noch höher hinauf, bis er auf einer oberen Segelstange steht. Von dort aus schweift sein Blick aufmerksam über den ganzen Umkreis, und nach Verlauf einiger Minuten gleitet er an einem Taue bis zu dem Barkholz herab und kommt zu uns zurück.
    Wir sehen ihn fragend an.
    »Kein Land!« sagt er sehr kalt.Da tritt Mr. Kear vor und spricht in offenbar übler Laune:
    »Wo sind wir, Herr?
    – Das weiß ich nicht, mein Herr.
    – Das sollten Sie aber wissen! erwidert ärgerlich der Oelhändler.
    – Möglich, – aber ich weiß es nicht!
    – Nun, fährt Mr. Kear fort, so hören Sie denn, daß ich keine Lust habe, ewig auf Ihrem Schiffe zu bleiben, mein Herr, und ich erwarte von Ihnen, daß Sie nun weiter segeln!«
    Robert Kurtis begnügte sich, mit den Achseln zu zucken.
    Dann wandte er sich zu Mr. Letourneur und zu mir:
    »Wenn sich die Sonne zeigt, sagt er, werde ich eine Aufnahme ausführen und werden wir dann erfahren, auf welchem Punkte des Atlantischen Oceans wir uns befinden.«
    Hierauf läßt Robert Kurtis zunächst an die Passagiere und die Mannschaften Lebensmittel vertheilen. Wir brauchen solche recht nöthig, denn Alle sind von Hunger und Anstrengung erschöpft. Es wird Schiffszwieback und etwas conservirtes Fleisch genossen, worauf der Kapitän sofort gewisse Maßnahmen zum Wiederflottmachen des Schiffes vorbereitet.
    Das Feuer hat sich jetzt noch weiter vermindert, und keine Flamme dringt mehr nach Außen. Auch der Rauch ist, wenn auch noch schwarz, doch minder reichlich. Gewiß steht im Kielraume des Chancellor ein große Menge Wasser, doch kann man sich darüber nicht vergewissern, da das Verdeck ungangbar ist.Deshalb läßt Robert Kurtis die glühheißen, halbbrennenden Planken begießen, und nach zwei Stunden können die Matrosen wieder auf dem Verdecke gehen.
    Jetzt ist es die erste Sorge, zu sondiren, ein Geschäft, dem sich der Hochbootsmann unterzieht. Seiner Messung nach stehen fünf Fuß Wasser im Raume; der Kapitän läßt dasselbe jedoch noch nicht auspumpen, da er will, daß es seine Arbeit ganz vollende. Erst mit dem Feuer fertig werden, mit dem Wasser später.
    Erscheint es nun wohl gerathen, das Schiff sofort zu verlassen und sich auf die Klippe zu flüchten? Kapitän Kurtis' Ansicht, der auch der Lieutenant und der Hochbootsmann zustimmen, ist das nicht. Wirklich, bei schwerem Wellengange dürfte die Position selbst auf den am meisten hervorragenden Felsen nicht haltbar sein. Die Wahrscheinlichkeit einer Explosion des Fahrzeugs ist ja wesentlich gemindert; gewiß hat das Wasser im Raume eine solche Höhe erreicht, daß Ruby's Gepäck und folglich auch sein Colli mit Pikrat überschwemmt ist. Es wird also entschieden, daß weder die Mannschaften noch die Passagiere den Chancellor verlassen.
    Dafür bemüht man sich, auf dem Oberdeck eine Art Lagerstätte zuzurichten, und für die beiden Damen werden einige vom Feuer noch verschonte Matratzen dahin geschafft. Die Mannschaft, welche ihre Habseligkeiten gerettet hat, bringt diese unter das Vordercastell. Dort soll auch der Schlafraum sein, da die Cajüte der Leute völlig unbewohnbar geworden ist.
    Zum Glück sind die Zerstörungen in der Kombüse weniger umfänglich, als man hätte annehmen sollen. Die Lebensmittel, ebenso wie die Wasserkistenhat das Feuer zum großen Theil verschont. Das ganz im Vordertheil liegende Segelmagazin erweist sich völlig unversehrt.
    Vielleicht stehen wir vor dem Ende unserer Prüfungen. Man ist fast versucht, das zu glauben, denn seit dem Morgen hat sich der Wind sehr bedeutend abgeschwächt und der Seegang merklich ermäßigt. Letzteres ist ein ganz besonders günstiger Umstand, denn wenn den Chancellor jetzt heftige Wellenstöße träfen, müßte er an dem harten Basalte zerschellen.
    Mit den Herren Letourneur habe ich ausführlich über die

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