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Der Chancellor

Titel: Der Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ist geschehen? frage ich ihn.
    – Der Wind ist umgesprungen ...«
    Noch einige Worte fügt der Matrose hinzu, die ich nicht genau verstehen kann. Indessen glaubte ich die Worte »gerade umgekehrt« zu hören.
    Gerade umgekehrt! Dann müßte der Wind abervon Nordosten nach Südwesten umgeschlagen sein, und er müßte uns jetzt in die offene See hinaustreiben! Meine Ahnungen trügten mich also nicht!
    Nach und nach wird es heller. Der Wind hat sich zwar nicht vollkommen verkehrt, aber – ein ebenso verderblicher Umstand für uns, – er bläst aus Nordwesten und entfernt uns von dem Lande. Jetzt stehen nun fünf Fuß Wasser über dem Deck, und die Linie der Schanzkleidung ist vollkommen verschwunden. Das Schiff sank in der Nacht noch tiefer ein, auch Vorderkastell und Oberdeck befinden sich jetzt in gleichem Niveau mit dem Wasser, das ununterbrochen darüber hinströmt. Unter dem Winde arbeiteten Robert Kurtis und seine Leute an der Herstellung des Flosses, doch machen sie bei der bewegten See nur langsame Fortschritte, und erforderte es die aufmerksamste Fürsorge, die Balken des Unterbaues sich nicht verschieben zu lassen, bevor sie unverrückbar fest verbunden wurden.
    Die Herren Letourneur stehen an meiner Seite; der Vater umschlingt mit den Armen den Sohn, den er bei dem heftigen Rollen des Schiffes zu halten sucht.
    »Dieser Mastkorb wird brechen!« ruft Mr. Letourneur, der in der beschränkten Plateform, die uns trägt, ein Krachen vernommen hat.
    Miß Herbey erhebt sich bei diesen Worten und zeigt auf die neben ihr liegende Mrs. Kear.
    »Was sollen wir thun, meine Herren? fragt sie.
    – Wir müssen bleiben, wo wir sind, habe ich ihr geantwortet.
    – Hier ist noch unsere sicherste Zuflucht, Miß Herbey, fügt Andre Letourneur hinzu. Fürchten Sie nichts, Miß ...
    – O, für mich fürchte ich auch nicht, erwidert das junge Mädchen mit ruhiger Stimme, aber für Diejenigen, welche Ursache haben, an ihrem Leben zu hängen!«
    Um acht ein viertel Uhr ruft der Bootsmann seinen Leuten zu:
    »He! Ihr da auf dem Kastell!
    – Was wollen Sie, Meister, antwortet einer der Matrosen, ich glaube O'Ready.
    – Habt Ihr die Jolle dort?
    – Nein, Meister.
    – Nun, dann ist sie also weggeschwemmt worden.« In der That hängt die Jolle nicht mehr am Bugspriet, fast gleichzeitig gewahrt man aber auch das Verschwundensein Mr. Kear's, Silas Huntly's und dreier Leute von der Mannschaft, eines Schotten und zweier Engländer. Jetzt wird mir der Gegenstand der gestrigen Unterhaltung zwischen Kear und dem Ex-Kapitän klar. In der Befürchtung, daß der Chancellor noch vor Fertigstellung des Flosses untergehen könne, sind sie überein gekommen, zu entfliehen, und haben drei Matrosen durch Geld bestochen, sich des kleinen Bootes zu bemächtigen. Auch über den schwarzen Punkt, den ich verwichene Nacht vorübergehend sah, geht mir nun ein Licht auf. Der Elende hat seine Frau im Stiche gelassen! Der unwürdige Kapitän sein Schiff! Sie haben uns die Jolle gestohlen, das einzige noch übrig gebliebene Boot.
    »Fünf Gerettete! sagt der Bootsmann.
    – Fünf Verlorene!« antwortet der alte Irländer.
    Wirklich giebt der Zustand des Meeres O'Ready's Worten am meisten recht.Wir sind nur noch Zweiundzwanzig an Bord. Wie weit wird sich diese Zahl noch vermindern?
    Bei dem Bekanntwerden jener feigen Flucht und des diebischen Schurkenstreichs macht sich die Stimmung der Mannschaft in einem Schwall von Flüchen über die Entflohenen Luft, und wenn der Zufall sie an Bord zurückführen sollte, würden sie ihren Verrath schwer zu büßen haben!
    Ich halte es für gerathen, der Mrs. Kear die Flucht ihres Mannes zu verheimlichen. Die bedauernswerthe Frau wird vom Fieber furchtbar geschüttelt, gegen das wir völlig ohnmächtig dastehen, weil das Schiff so schnell gesunken ist, daß auch die Arzneikiste nicht zu retten war. Und wenn wir auch Arzneimittel gehabt hatten, welchen Erfolg hätten sie bei dem Zustande, in dem sich Mrs. Kear thatsächlich befand, wohl noch erzielen können?

XXVIII.
    Fortsetzung vom 6. December. –
    Der Chancellor wird jetzt im Wasser nicht mehr ganz im Gleichgewicht gehalten, und er droht allmälig unterzugehen.
    Glücklicherweise soll das Floß noch diesen Abend fertig werden, und man wird sich auf demselben einrichten können, wenn Robert Kurtis es nicht vorzieht, damit bis zum Anbruch des Tages zu warten. Der Unterbau ist sehr fest ausgeführt. Die Balken desselben sind mit starken Tauen verbunden, und da sie

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