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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Kopie behalten!«
    »Sicher!« bestätigte der Notar.
    »Aber die Kopie habe ich unter seinen Sachen nicht gefunden…«
    »Ich auch nicht«, sagte der Notar unschuldig.
    »Ja, hast du das Zimmer durchsucht?«
    Der Notar zuckte die Achseln: »Ich war eben früher da als die Fahndungspolizei… Es kommt manchmal vor, daß Notare früher aufstehen als Fahnder…«
    Studer kratzte sich verlegen im Nacken, sein Nachthemd – der Kragen war mit roten Blümlein bestickt – stand offen und ließ seinen mächtigen Hals frei. Der Wachtmeister fragte:
    »Ist der Tote schon auf dem Grab gelegen, wie du angekommen bist?«
    Münch zuckte wieder mit den Achseln: »Leider kann ich mit keiner Auskunft dienen. Ich bin direkt in die Wirtschaft gegangen, hab' nach dem Zimmer vom Farny gefragt – die Serviertochter führte mich hin und dann wartete ich dort… bis um 12 Uhr. Schließlich ist mir das Warten zu dumm geworden, die Fahndungspolizei hat auch viel Lärm gemacht in der Wirtschaft und so bin ich hinüber in die Armenanstalt. Wenn du den herzlichen Empfang erlebt hättest! Der Hausvater hat mich gebeten, bei ihm zu wohnen, hat mir ein Zimmer zur Verfügung gestellt und mich zum Mittagessen eingeladen. Ich hätte nie gedacht, daß man in einem Armenhaus so gut zu Mittag ißt… Er war sehr freundlich, der Hausvater Hungerlott, bitter hat er sich beklagt über den Verlust seiner Gattin – und ich muß ja sagen, daß es schwer ist, seine Frau zu verlieren…«
    Studer sah seinen Freund an: der Notar lächelte – und es wäre eine Übertreibung gewesen, hätte man das Lächeln gütig genannt.
    »Darmgrippe!« sagte Münch. »Darmgrippe…! Unter dem Namen ›Darmgrippe‹ kann sich allerlei verbergen…, meinst du nicht, Studer?«
    »Hm, hm«, brummte Studer. »Der Marshsche Spiegel war sehr deutlich… und der Assistenzarzt im Gerichtsmedizinischen war seiner Sache sicher…«
    »Arsen?« fragte Münch – »Hm, hm.«
    Wenn nicht das Schnarchen des Ludwig Farny die Luft im Raume erschüttert hätte, wäre es sehr still im Zimmer gewesen…
    »Du hast da einen guten Wecker«, meinte Münch und deutete mit dem Daumen nach dem Bette des Knechtleins. Studer seufzte: »Weißt, er hat's nicht schön gehabt. Er ist Verdingbub gewesen, dann war er beim Hungerlott in der Kost, ist durchgebrannt und hat mit einem Meitschi zusammen im Wald gelebt… vielleicht erbt er jetzt… ich möcht's ihm gönnen.«
    »Ich auch«, sagte Münch. Dann zog der Notar noch einmal seine Brieftasche, entnahm ihr ein handgeschriebenes Dokument und reichte es Studer. Sein Inhalt lautete, kurz zusammengefaßt: James Farny, geboren dannunddann, heimatberechtigt in Gampligen, vermache sein Vermögen, bestehend aus amerikanischen und englischen Devisen sowie aus Edelsteinen, die in einem Safe des Crédit Lyonnais lägen, zu gleichen Teilen: seiner Schwester Elisa, Ehefrau des Äbi Arnold, ihrem unehelichen Sohne Ludwig Farny sowie ihren ehelichen Kindern Ernst und Anna. Sterbe eine dieser vier Personen vor dem Tode des Erblassers, so sei das Vermögen unter den zurückbleibenden Erben zu verteilen. Keinen Erbanspruch zu erheben habe Arnold Äbi, Ehemann der Elisa geb. Farny. Ein Codizill, welches mit dem Datum des 10. November versehen war, enthielt folgende Bestimmung: Der Gatte seiner Nichte Anna, Hungerlott Vinzenz, erhalte beim Tode seiner Frau den Anteil seiner verstorbenen Gattin. Von diesem Anteil jedoch habe er die Hälfte an Wottli Paul, Gartenbaulehrer Pfründisberg, abzugeben. Testamentsvollstrecker sei Notar Münch.
    »Das Testament ist datiert vom 25. Juli«, sagte Studer. »Warst du dabei, wie er es aufgesetzt hat?«
    Münch nickte; seine gefalteten Hände lagen auf den Schienbeinknochen und sein Kinn wetzte sich an den hohen Kniescheiben.
    »Am fünfundzwanzigsten Juli«, sagte er verträumt. »Ich konnte mir damals die Sache nicht recht erklären: Warum, zum Beispiel, hatte sich James Farny an mich gewandt? Warum berief er sich auf dich? Wer hatte ihm von unserer Freundschaft erzählt? – Vielleicht erinnerst du dich, Jakob, daß wir am 20. und 21. Juli zusammen Billard gespielt haben, in unserem gewohnten Café. Ist dir an den beiden Abenden nichts aufgefallen?«
    Studer unterdrückte ein Gähnen. Dann schüttelte er den Kopf. »Wenn ich Billard spiele«, meinte er gelangweilt, »dann vergeß ich meinen schönen Beruf. Ich werd doch nicht kontrollieren, wer mir zuschaut, wenn mir eine Serie von zehn Punkten gelingt. Oder?«
    »Das weiß ich«,

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