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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Rücken und sagte: »Leicht ist es nicht gewesen, aus der Anstalt herauszukommen!«
    Studer verspürte kein Mitleid, er lachte seinen Freund aus und behauptete, es sei ganz gesund für Notare, wenn sie sich ein wenig bewegten. Sie säßen ohnehin die ganze Zeit auf ihrem Schreibtischstuhl und täten ihre Kunden übers Ohr hauen. – Münch quittierte diesen Angriff, indem er Studer in die Wade klemmte, doch dieser Angriff mißlang; der Wachtmeister streckte plötzlich seine langen Beine und er drängte den Freund erbarmungslos gegen das Fußende des Bettes. Münch bat um Gnade.
    – Was er denn so spät noch hier wolle, fragte Studer flüsternd (das Flüstern wäre unnötig gewesen, denn das Knechtlein sägte unentwegt). Ob denn etwas Besonderes passiert sei, drüben im Armenhaus? Und was denn der Herr Notar beim Hungerlott zu suchen habe? Soviel er (Studer) wisse, sei der Hausvater nicht gerade sauber übers Nierenstück…
    » Gäll, das möchtescht gärn wüsse?« sagte Münch, zwinkerte mit dem rechten Auge und schraubte an seinem Hals.
    »Wüsse!« Der Herr Notar habe wohl den Privatdetektiv spielen wollen, oder? Denn bis jetzt sei keine Klage eingelaufen gegen den Hungerlott…
    »Aber soviel ich verstanden habe, meinst du, der Hausvater habe seine Frau mit Arsen vergiftet… Wenn ich dir aber jetzt erzähle, daß wir das Gift bei einem Schüler der Gartenbauschule gefunden haben? Was sagst du dann? Und wenn ich dir weiter erzähle, daß dieser Gartenbauschüler mir gestern eine Warnung durchs Fenster geschossen hat: ›Finger ab de Röschti!‹ Wie antwortest du darauf?«
    »Daß du ein Mondkalb bist«, sagte der Notar trocken.
    »Das ist ein alter Witz«, meinte Studer griesgrämig. »Mondkälber nennen sich in Pfründisberg Statthalter und Ärzte. Willst du ihrem Beispiel folgen?«
    Man merke, meinte der Notar Münch, daß der Herr Wachtmeister schon lange nicht mehr im Billardspiel gewonnen habe; durchs Verlieren werde seine Geistestätigkeit stets ungünstig beeinflußt… Studer murmelte ein Schimpfwort. Hernach fragte er, was ihm also die Ehre eintrage, einen so späten Besuch empfangen zu dürfen?
    »Du bist«, sagte der Notar, »heute im Gerichtsmedizinischen gewesen. Was hat die Untersuchung der Nastücher ergeben?«
    – Der Herr Notar sei eigentlich viel weniger dumm, als er aussehe, stellte Studer trocken fest, aber nun solle er endlich mit der Sprache herausrücken.
    Münch öffnete seinen Rock, entnahm seiner Brieftasche einen Brief… »Da, lies!«, sagte er.
    Und Studer las:
Pfründisberg, den 17. November 19…
    Herrn Notar Hans Münch, Bern.
    Sehr geehrter Herr Notar!
    Kurz nach dem Tode meiner Nichte Anna Hungerlott-Äbi änderte ich mein Testament folgendermaßen ab: Das Viertel meines Vermögens, das für meine Nichte bestimmt war, sollte in zwei Hälften geteilt werden: Die eine war für den Gatten der Verstorbenen, den Hausvater der Armenanstalt bestimmt gewesen, die andere für Paul Wottli, Lehrer an der Gartenbauschule Pfründisberg. Diese neue Klausel bin ich gezwungen noch einmal abzuändern und ich bitte Sie, mich morgen, den 18. November, um 10 Uhr vormittags, besuchen zu kommen. Ich bitte Sie, mein Testament mitzubringen, da ich gedenke, es neu zu schreiben – einen Entwurf habe ich schon gemacht, so daß wir schnell fertig wären. Ich muß Sie bitten, die von mir angegebene Stunde ja nicht zu verpassen. Die letzten Tage habe ich mich nämlich einem meiner Bekannten gegenüber über mein Projekt geäußert und ich fürchte, daß dieser nichts Eiligeres zu tun gehabt hat, als diesen Entschluß zu kolportieren. Dadurch aber, daß andere Leute von meinem Vorsatz Kenntnis erhalten haben, ist mein Leben doppelt gefährdet. Vor einigen Monaten machte ich zufällig die Bekanntschaft eines Ihrer Freunde und teilte diesem damals mit, daß mein Leben in Gefahr schwebe. Dieser Freund, Herr Wachtmeister Jakob Studer, stand meinem Berichte ziemlich skeptisch gegenüber. Es kam mir deshalb ratsam vor, mich an Sie zu wenden, da Sie ein Freund dieses Kriminalisten sind. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Herrn Studer beiziehen würden, falls mir etwas geschehen sollte. Es schien mir nur notwendig, Ihnen kurz zu erklären, warum ich mich an Sie gewandt habe, als es galt, mein Testament aufzustellen.
    Auf Wiedersehen morgen früh. Mit hochachtungsvollen Grüßen! Ihr ergebener
    James Farny.
    Studer besah den Brief von allen Seiten, er war mit der Maschine geschrieben.
    »Sicher hat er eine

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