Der Code des Luzifer
er darauf zu. Überihm tauchte der Eingang eines Tunnels auf, der offenbar in die unteren Hänge des Berges gegraben war, mindestens drei Meter hoch und ebenso breit. Max ließ sich von dem schwachen Lichtschein leiten und kletterte hinauf. Ein leiser Luftzug wehte ihm entgegen; der hatte ihm die kaum wahrnehmbaren Gerüche zugetragen.
In dem Tunnel verlief etwas, das wie eine Pipeline aussah. Max wusste zwar nicht genau, wo er war, nahm aber an, dass die Türme, die er gesehen hatte, sich rechts von ihm befanden, der Berg links. Diese Pipeline war nicht zum Transport von Treibstoff da; es war die Leitung, durch die Tischenko die von ihm erzeugte Energie schicken würde, um die von ihm im Berg installierten Höllenmaschinen in die Luft zu jagen.
Max vernahm ein leises Sirren. Über sich erblickte er eine Stahlschiene. Der Tunnel musste bestimmt ab und zu inspiziert werden – und dazu diente diese Schiene. Langsam glitt aus dem Dunkel etwas heran, ein hängender Sitz, ähnlich wie ein Skilift. Er war so konstruiert, dass man vorwärts und rückwärts darauf sitzen konnte, je nachdem in welcher Richtung man sich bewegte. Max kletterte auf das Leitungsrohr, und als der Skilift nah genug war, schwang er sich hinauf. An einer Seite entdeckte er einen Kipphebel, wie eine kleine Gangschaltung. Er drückte ihn nach vorn und die Fahrt wurde schneller. Am Ende des Tunnels, tief im Innern des Bergs, musste es eine Andockstation geben. Max lehnte sich zurück. Ein Londoner U-Bahn-Fahrer konnte es auch nicht bequemer haben.
Die Andockstation lag unterhalb eines Kontrollraumfensters, hinter dem Max eine Gestalt im weißen Kittel sitzen sah. Als der Lift aus dem Tunnel glitt, gelang es Max, sich unbemerkt an dem summenden Leitungsrohr hinabzulassen.
Max wusste, im Innern des Berges gab es mindestens zwei Aufzugschächte, und sicher befand er sich jetzt irgendwo in der Mitte zwischen den verschiedenen Ebenen. Er robbte über die kleine Plattform, duckte sich und lief, ohne den Mann im Kontrollraum aus den Augen zu lassen, zu einer Tür mit einem Schild, das auf eine abwärtsführende Treppe hinwies. Plötzlich blickte der Weißkittel auf. Max erstarrte. Der Mann sah genau in seine Richtung – und wandte sich ab. Max konnte es kaum glauben, erkannte dann aber, dass es auf der Plattform dunkler war als in dem Kontrollraum; dazu kam noch die Spiegelung des Fensters, sodass man hinter dem Glas wohl kaum etwas erkennen konnte. Aber dann erblickte Max mit Schrecken die Uhr über dem Kopf des Mannes. 9:57 Uhr. Als ob der Sturm die Stunden hinweggefegt hätte. Ihm blieb weniger Zeit, als er gedacht hatte, bis Tischenko um 11:34 Uhr den Berg sprengen würde.
Die Treppe glich einer Feuerleiter: Stahlstufen, mit Bolzen an der Felswand befestigt. Über ihm schlängelten sich die Tentakel Hunderter Kabel bis zur gut siebzig Meter entfernten Decke. Max kam sich vor wie in einer gigantischen Inspektionsgrube unter einer futuristischen Zeitmaschine. Der Kristall, den Tischenko ihm gezeigt hatte, musste sich irgendwo dort oben befinden. Max lief weiter nach unten – noch einmal hundert Stufen. Es wurde immer dunkler und stiller. Er gelangte an einen Gang, an dessen einem Ende ein Lastenaufzug zu sehen war. An der Felswand liefen zwei mächtige, verschieden dicke Rohre entlang. Er berührte sie. Eins war warm, das andere eiskalt, aber nicht beschlagen. An beiden waren Messgeräte angebracht, die einen konstanten Druck anzeigten.
Was mochte auf der anderen Seite sein, wo nur ein blaues Leuchten aus der Dunkelheit drang? Wenn Sayid, wie der Haigesagt hatte, wirklich auf dieser Ebene festgehalten wurde, wo konnte er dann sein, wenn nicht am hinteren Ende dieses Ganges? Max war hin- und hergerissen. Der Lastenaufzug würde ihn nach unten bringen, zu Farentino, der Informationen über seine Mutter besaß. Zu wem sollte er zuerst? Er rannte in den Gang hinein.
»Sayid? Kannst du mich hören? Wo bist du, Sayid?«
Seine Stimme verhallte ohne Echo. Die Wände standen hier enger zusammen und dämpften seine Rufe. Max horchte. Keine Antwort. Er rannte weiter. Plötzlich wurde die Luft eisig kalt. Er war in das blaue Leuchten getreten. Er erschauderte. Eine Eishöhle. Max ging weiter und fasste unwillkürlich den Eispickel in seiner Hand fester. Er hatte das Gefühl, das Eis könnte sich um ihn schließen und ihn nie mehr loslassen.
Und dann sah er Sayid.
Und wusste, sein bester Freund war tot.
Tischenko hatte die letzten Anweisungen
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