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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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zukünftige Wohnzimmer. Die Mitte des Raumes
war frei geräumt worden, um einem dreckigen, alten Metallstuhl Platz zu machen.
Aber niemand war zu sehen. Warum versteckte sich Bernd, und warum antwortete er
nicht? Ein äußerst ungutes Gefühl beschlich sie, und sie fuhr auf der Stelle
herum.
    An der
Türöffnung zum Wohnzimmer, der allerdings noch das Türfutter fehlte, stand ein
Mann. Aber es war nicht ihr Bernd, sondern ein grobschlächtig wirkendes
Muskelpaket, das sie abschätzend anlächelte. Die lockigen blonden Haare waren
kurz geschnitten, der Mann war über und über tätowiert. Besonders das gezackte
Doppel-S an seinem Hals hatte sie schon einmal irgendwo gesehen. Die
Tätowierung allein löste bereits kein gutes Gefühl in ihr aus, aber dann sah
sie mit Entsetzen die Machete, die der Mann in der linken Hand lässig hin und
her schwang. Sie öffnete den Mund zu einem gellenden Hilfeschrei, als sie ein
brutaler Faustschlag traf und sie bewusstlos zu Boden sackte.
    Hans
Günther Jahn saß im gläsernen Büro des Dienststellenleiters Suckfüll und
starrte mit zusammengekniffenen Lippen geradeaus. Lagerfeld stand neben ihm und
hatte die Hand auf seine Schulter gelegt. Gerade hatte er HG gesagt, dass Moritz Kiesler in der letzten Nacht
seine Schwester und Mutter auf brutale Art und Weise umgebracht hatte, und ihm
ebenso nicht verschwiegen, dass nicht nur Dag Moen, sondern auch Kiesler im
Besitz von Deep Blue sein musste. Wie es wirkte, brauchte er ihm ja nicht zu
erklären.
    Sein
alter Freund sah zu Boden und stützte die Hände in seine Handflächen.
Eigentlich wartete Lagerfeld nur darauf, dass HG endlich zu weinen anfing, das würde ihm, beherrscht wie er bisher gewesen war,
vielleicht guttun. Doch nichts dergleichen geschah. Jahns innere Festung hielt.
Zumindest von außen war nichts zu erkennen, und trotzdem musste in ihm eine
fürchterliche Düsternis, ein fürchterliches Chaos herrschen. Der absolute
Alptraum.
    Aus dem
Augenwinkel sah Lagerfeld, wie Franz mit jemandem telefonierte und dann
auflegte. Ruckartig fuhr Haderleins Kopf herum, und ihre Blicke trafen sich.
    »Bernd,
ich habe gerade mit der Spurensicherung geredet.« Der Hauptkommissar war in
Suckfülls Büro getreten. »Den Spuren nach ist in allen drei Mordfällen der
gleiche Täter am Werk gewesen. Sowohl Vorgehensweise, Fingerabdrücke und
Todesart sind nahezu identisch.«
    »Aber das
ist ja nun nichts wirklich Neues. Wir wissen ja, dass es Kiesler ist, den wir
kriegen müssen«, sagte Lagerfeld.
    Haderlein
nickte, hatte aber noch etwas anderes auf dem Herzen. Er wirkte unschlüssig,
ein Wesenszug, den Bernd Schmitt an seinem Chef nicht kannte.
    »Schon«,
sagte Haderlein, und Lagerfeld bemerkte, dass sich Franz über irgendetwas
Sorgen machte, »aber ich habe heute Morgen einen komischen Anruf von Manuela
erhalten. Unsere Frauen haben heute Nacht einen draufgemacht und danach in
deinem zukünftigen Zuhause in Loffeld im Keller übernachtet.«
    Lagerfelds
Augen wurden größer, und er musste grinsen. »In dem kleinen Loch? Zu dritt? Da
müssen sie sich aber ganz schön einen hinter die Binde gekippt haben, mein
lieber Schwan.«
    »Sie
waren sogar zu viert, die Riemenschneiderin war auch dabei«, korrigierte ihn
Haderlein trocken. »Aber das ist nicht der Punkt, Bernd. Was mich beunruhigt,
ist der Umstand, dass während sie dort geschlafen haben, jemand in das Haus
eingebrochen ist. Merkwürdigerweise wurde nichts gestohlen, der oder die
Einbrecher sind einfach wieder verschwunden. Und die Mädels haben sie auch
schlafen lassen.«
    Lagerfeld
schaute seinen älteren Vorgesetzten wortlos an. Nun gut, die Klappe zum Keller
war im geschlossenen Zustand kaum zu erkennen. Man konnte sogar darauf stehen
und nichts davon merken. Vielleicht hatte der Einbrecher nur einfach nicht
gefunden, wonach er gesucht hatte.
    »Und was
beunruhigt dich jetzt plötzlich so an der Sache, Franz?«, fragte Lagerfeld, den
jetzt doch ein komisches Gefühl beschlich.
    »Was mich
beunruhigt, Bernd, ist die Tatsache, dass eure Tür eingetreten wurde. Genauso
eingetreten wie die Türen der anderen Mordschauplätze.«
    Lagerfeld
brauchte nur wenige Sekunden, um Franz Haderleins Schlussfolgerung zu Ende zu
denken. »Deinen Autoschlüssel, Franz, sofort! Bitte, ich muss da nachsehen. Du
weißt, was das bedeutet, wenn du recht hast.«
    Haderlein
nickte. Natürlich wusste er, was das bedeuten konnte. Wohlgemerkt, konnte.
Wahrscheinlicher war zwar die Version mit den

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