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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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sich Lagerfeld ein. »Und
auch Rutger Kesselring lebt nicht mehr. Ein norwegisches Spezialkommando hat
ihn in Risør zusammen mit ein paar anderen Gefolgsleuten erschossen. Moritz
Kiesler ist der Letzte des harten Kerns der fränkischen Hammerskins – aber
eben auch der Gefährlichste«, erklärte er.
    »Ich
hatte die dämliche Idee«, ergriff Jahn wieder das Wort, »mir den Namen von
Moritz’ Bruder als Pseudonym zuzulegen. Ich dachte, es wäre ein genialer Plan,
mich bei meiner Schwester auf der Burgbaustelle zu verkriechen. Aber Moritz hat
mich aufgespürt und auch meine Adresse im Gartenhaus des Barons rausgefunden.
Als Moritz Kiesler auftauchte, war nicht ich da, sondern mein Stiefbruder
Dietmar. Ausgerechnet Dietmar, der überhaupt nichts für die ganze Sache konnte.
Er hat dort auf mich gewartet, als Kiesler auftauchte.« Der Mund Jahns war nur
noch ein schmaler Strich.
    »Als klar
war, dass sie mich gefunden hatten, musste ich handeln und schnellstmöglich
nach Norwegen zurück. Irgendwie war es ja klar gewesen, dass es so weit kommen
musste. Da ich den Torpedo nicht wieder herausgeben wollte, blieb mir nur die
Möglichkeit, meine Ausbildung zu nutzen und mit Ewald zusammen Marit zu
befreien. Ich verabredete mit ihnen ein Treffen am Leuchtturm ›Alnes fyr‹ auf
der Insel Godøy bei Ålesund, die Kontakt-Telefonnummern hatte ich ja noch. Den
Leuchtturm kannte ich, er lag einsam, da war ein Hinterhalt eigentlich
unmöglich – so dachte ich. Der Torpedotausch als Vorwand – für
Marit.« Seine Stimme stockte.
    »Was genau
ist in Ålesund passiert, HG ?«, fragte Lagerfeld
leise.
    HG blickte zu Boden. »Marit
war nicht da«, begann er dann mechanisch zu erzählen. »Es war eine
Falle …«
    Er
richtete sich auf dem Holzstuhl auf und vertrieb aus seinem Kopf die letzten
Zweifel, die er in der letzten Zeit mit sich herumgetragen hatte. Eine kleine
Fontäne spritzte aus der Nadel nach oben, während von draußen versucht wurde,
die schwere Stahltür aufzubrechen.
    Die ganze
Mission war von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Sie hatten
gewartet und ihnen eine Falle gestellt. Ewald hatten sie abgeknallt wie ein
Stück Wild. Er hatte keine Chance gehabt.
    Doch
immerhin hatte Ewald ihm noch das Rezoanilin gegeben. Sie konnten nichts davon
wissen, dass ihr Deep Blue nicht so wirken würde wie normalerweise.
    Er hielt
noch einen kurzen Moment inne, dann glitt die Nadel der Spritze in die Vene
seines linken Unterarms, oberhalb der zu einer Faust geballten Hand.
Entschlossen drückte er die farblose Flüssigkeit in seinen Körper. Er lachte
kurz und verzweifelt auf, dann fiel die leere Spritze zu Boden und rollte noch
ein letztes Mal unentschlossen um das hintere Stuhlbein. Das hier war doch
völlig verrückt, aber er sah keine andere Chance mehr, lebend aus dieser
Geschichte herauszukommen. Die Würfel waren gefallen. Er konnte nur hoffen,
dass er keinen Fehler gemacht hatte und er sich auf den Mann verlassen konnte,
der gerade auf diesem Stuhl saß. Er selbst und sein Instinkt waren das Einzige,
was er noch hatte.
    Sie
hatten die Tür aufgebrochen und ihn sofort überwältigt. Vier tätowierte Skins
hielten ihn fest, während Moen seine Spritze herauszog. Dag Moen hatte er es zu
verdanken, dass Rutger ihn nicht höchstpersönlich sofort totgeschlagen hatte.
Moen wollte den Torpedo – unbedingt.
    Sie
spritzten ihm das Deep Blue, und er erinnerte sich an Peter Leontiew und die
Reaktionen, die er gezeigt hatte, bevor er geredet hatte und dann gestorben
war. Er lieferte eine perfekte Show ab. Seltsamerweise zogen sie ihm die Schuhe
aus und machten sich an ihnen zu schaffen, aber darauf achtete er in der
Situation nicht. Stattdessen war er so gut in seiner Rolle als durchgedrehtes
Opfer, dass die Skins irgendwann von ihm abließen. Ein Fehler. Denn er war noch
immer schnell, zu schnell für sie. Er tötete einen von ihnen, überrumpelte dann
Rutger und griff sich dessen Waffe. Das fassungslose, hasserfüllte Gesicht von
ihm würde er nie vergessen. Nur Dag sah aus, als hätte er nichts anderes von
ihm erwartet.
    Jahn nahm
seine Schuhe, sperrte die ganze Bande in den Leuchtturm und rannte zurück zum
Hubschrauber. Fiesders Eurocopter hatte ihm bis hierher gute Dienste geleistet,
und jetzt war er seine einzige Chance, die Insel Godøy lebend zu verlassen. Er
bemerkte, wie das Deep Blue langsam seine Motorik beeinträchtigte. Ewald hatte
ihm erzählt, dass im Ernstfall niemand sagen konnte, inwieweit das

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