Der Computer-Satelit
darüber anhören." Die anderen zwei starrten zuerst ihn, dann sich selbst mit einem komischen Blick an. Chris verfiel sofort ins Grübeln und begann damit, die Fragestellung auf unterschwellige Bedeutungen hin zu untersuchen. Ron kratzte sich seinen Bart und starrte Dyer weiterhin neugierig an.
„Haben Sie Alpträume oder so was gehabt?" fragte er.
„Nein. Ich halte lediglich Ausschau nach kreativem Gedankengut", antwortete Dyer.
"Ich sehe nicht, wo das Problem liegen soll", sagte Ron achselzukkend. „Warum müssen wir es schon im voraus wissen? Es ist wie jede andere Maschine auch — man versucht's und hofft das Beste. Wenn es Faxen macht, zieht man einfach den Stecker raus."
"Hm . . ." Geistesabwesend starrte Chris durch die Seitenverglasung des Holo-Tanks. „Nehmen wir mal an, daß es sich soweit entwickelt hat, daß es sich den Stecker nicht mehr rausziehen läßt", sagte er mit einer Stimme, die wie aus weiter Ferne zu kommen schien.
„Darauf wollte ich hinaus", meinte Dyer und nickte.
105
„Ah, ich verstehe. Die Ansicht, daß der Stecker nicht mehr zu ziehen sei”, sagte Ron. „Wenn sich jemand darüber ernste Gedanken macht, besteht meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit darin, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen einzubauen. Soll man doch die Stromversorgung des Systems von Schaltstationen abhängig machen, die manuell kontrollierbar und vom Verteilernetz isoliert sind. Auf diese Weise hätte man stets einen Ein- und Ausschalter, zu dem das System keinen Zugang hätte."
"Viel zu umständlich." Dyer schüttelte den Kopf. „Man müßte den gesamten Planeten neu verkabeln, und das würde ein Vermögen kosten. Laßt euch was anderes einfallen."
Dieser Punkt war in Washington bis zur Erschöpfung diskutiert, abgelehnt beziehungsweise als letzter Ausweg überhaupt aus einer Unmenge von Gründen offengelassen worden. Dyer erwähnte nicht die anderen Gründe, die Lösungsstrategien dieser Art nicht zuließen. Eine Entscheidung, ein Programm von Vorsichtsmaßregeln derartigen Ausmaßes durchzuführen, würde einem öffentlichen Zugeständnis, daß die Welt außer Kontrolle geraten könnte, gleichkommen; die Bestürzung, die dem ohne jeden Zweifel auf dem Fuße folgen würde, schloß diese Möglichkeit aus. Es wäre genauso, als würde man ein Gesetz verabschieden, nach dem Chirurgen verpflichtet wären, zusammen mit der Narkose die letzte Ölung zu verabreichen.
Ähnlich gelagerte Überlegungen schlossen die Möglichkeit einer Installierung von ferngesteuerten Zerstörungsmechanismen in allen Nervenstellen des Systems aus, ebenso von Geräten, mit denen die wichtigsten Datenverbindungen zerschnitten werden könnten, so daß das gesamte Netz in Einzelsegmente zerlegt würde, die auf einfache Weise voneinander isoliert werden könnten. Solche und ähnliche Möglichkeiten waren auf dem Treffen erörtert worden. Jedesmal hätten zu viele Leute erfahren müssen, was da vor sich ging und warum. Früher oder später würden die Medien von der Sache Wind bekommen, und wenn das erst einmal passiert wäre, würde sich der aufgewirbelte Staub noch nach Jahren nicht gelegt haben.
„Was ihr braucht, ist ein Supersimulator", sagte Chris schließlich. Er deutete auf die Miniaturlandschaft im Inneren des Holo-Tanks. "So etwas wie das hier, aber groß genug, um die ganze Welt zu simulieren. Dann müßte man einen Supercomputer daran anschließen, der groß genug wäre, um das gesamte TITAN-System arbeiten zu lassen. Man müßte ihn mit Daten füttern, die einer beschleunigten
106
Entwicklung von zwei Jahrhunderten entsprechen, und wenn er dann nichts Schlimmes anstellt, kann man den richtigen anschalten. Ganz einfach." Er machte dabei ein todernstes Gesicht und verzog keine Miene, was normalerweise bedeutete, daß er es aufgegeben hatte, eine ernstgemeinte Lösungsmöglichkeit anzubieten. Der Vorschlag war selbstverständlich lächerlich. Es gab keinen Computer, der auch nur im entferntesten von seiner Leistungskapazität her in der Lage gewesen wäre, die sich bei Tag und Nacht, milliardenfach pro Nanosekunde, vollziehenden Operationen innerhalb des gesamten TITAN-Komplexes zu simulieren. Im Hinblick auf die tatsächlichen Verhältnisse ausgedrückt, ähnelte Hektors einfach strukturierte Welt diesen in etwa so sehr wie das unbeholfen gezeichnete Bild eines Kindes von einer Papierwindmühle auf einem Stock einem Molekularstrukturmodell des Milchstraßensystems. Die Frage einer Simulationsmöglichkeit
Weitere Kostenlose Bücher