Der Computer-Satelit
sind doch dort in der Mitte ganz ungedeckt. Wenn wir schnell nachrücken, reißen wir ihnen den Arsch auf . . ."
„Schnauze, Ron!"
„Aber ich sag's doch, wir haben sie bei den Eiern!"
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„Und ich sage, daß es eine Falle ist. Sie wollen, daß wir ihnen in die Mitte folgen sollen. Es war nur ein Scheingefecht, und sie ziehen sich viel zu schnell zurück.”
„Hat den Anschein, als trügen sie mal wieder den Zweiten Weltkrieg aus", meinte Dyer grinsend. Betty hob beide Arme und zog ihre Schultern hoch. Dyer schlenderte in den Laborbereich hinein, um zu sehen, was da passierte.
Es war genauso, wie er es erwartet hatte. Das Bild im Holo-Tank stellte eine dreidimensionale Miniaturlandschaft dar mit bewaldeten Hügeln, Teilen einer kahlen, an- und absteigenden Ebene, Flüssen und Wäldern und schließlich noch Städten, Straßen und Brücken. Ansammlungen durcheinandergewürfelter Quadrate, Kreise, Dreiekke und anderer Symbole leuchteten über dem Gelände auf und teilten es ungefähr in zwei gleich große Hälften. Die eine wurde von Rot, die andere von Blau beherrscht, obwohl in einigen Bereichen die beiden Farben miteinander verschmolzen und nicht mehr klar zu erkennen waren. Sie gaben der ganzen Szenerie den Anschein von etwas, das nach einem militärischen Generalstabsplan ausschaute. Ron saß am Schaltpult und schaute ungeduldig drein, während Chris dastand und gedankenschwer von oben in den Tank hineinstarrte.
„Was ist das?" fragte Dyer, als er sich neben Chris stellte und die Lage zu erforschen begann.
"Die Schlacht bei Kursk , 1943", antwortete Chris geistesabwesend. „Deutsche und Russen. Wir sind die Roten . . . Schukow."
„Wer ist auf der anderen Seite?" fragte Dyer.
„Mike und Dave in Cornell", informierte ihn Chris, ohne aufzublicken. „Ich glaube, sie versuchen uns in einen Hinterhalt zu locken. Das haben diese Gauner schon mal geschafft." Schlachtsimulierungsspiele aus der Netzbibliothek waren die neueste Leidenschaft von Chris und Ron. Holo-Tanks für daheim, die konventionelle zweidimensionale Flachschirme ersetzten, waren eine teure Angelegenheit. Eine der ersten Verbesserungen, die Ron am FISE-Display vorgenommen hatte, hatte in der Konstruktion einer Interface-Einheit bestanden, um sie an das Netz anzuschließen.
„Sie haben gerade ein Panzergefecht in der Mitte, dort am Fluß, abgebrochen", sagte Chris und fummelte mit seinen Händen herum. „Jetzt ziehen sie sich zurück, und Ron will hinter ihnen her. Das sieht mir nicht geheuer aus."
„Wieso?" fragte Dyer.
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„Ich hab' so ein unbehagliches Gefühl”, sagte Chris. „Ich vermute, daß sie was hinter diesem Hügelkamm verborgen haben, das nur darauf wartet, um uns den Rückweg abzuschneiden, wenn wir den Fluß überquert haben." Dyer betrachtete die Gesamtsituation mehrere Sekunden lang und nickte dann bedächtig. Es gab da einen langen, flachen Hügelkamm, der die Stelle überragte, an der es zur Furt ging. Das Gelände hinter diesem Kamm konnte von keiner der gegenwärtigen Stellungen der roten Symbole aus direkt eingesehen werden. Beide Teams verfügten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht über den gleichen Bildausschnitt; angesichts der momentanen Standortlage der gegnerischen Kräfte wußten nur die feindlichen „Generäle" und die Computer in der Funktion von Schiedsrichtern, ob der Höhenzug zusätzliche gegnerische Kampfverbände verbarg oder nicht.
„Ihr benötigt einen Beobachtungsposten oben auf dem Kamm", gab Dyer zu bedenken. „Schickt eine Patrouille hoch."
„Das hatte ich auch gedacht", murmelte Chris.
„Das dauert aber den ganzen Tag lang", protestierte Ron. „Warum gehen wir nicht einfach das Risiko ein und wagen es? Sollte irgend etwas über die Höhenkette rüberkommen, so haben wir dort hinter der Stadt drei Artilleriebatterien in Stellung, die sich darum kümmern, bis wir mehr Panzer auffahren können."
„Die haben nur 45-Millimeter-Geschosse", stellte Chris klar. „Liegen zu weit hinten. Wenn wir ein paar Schüsse von dort auf den Kamm abfeuerten, ginge ich jede Wette ein, daß die Entfernung zu groß wäre. Die Zweihundertdreier jenseits der Hügel hätten es wohl geschafft, aber sie wurden ja gerade von einem Luftangriff getroffen, und es wird einige Zeit dauern, bis sie wieder einsatzfähig sind . . ." Er brach ab und rieb sich sein Kinn. „Na, das ist aber interessant. Warum mußten sie wohl gerade jetzt diese Zweihundertdreier angreifen? Siehst du — es fügt sich alles
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