Der Computer Satellit
wird. Und da niemand auch nur annähernd etwas darüber weiß, könnte es immerhin sein, dass es über Nacht ausgewachsen ist. Tja … die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig, aber würden Sie das Risiko eingehen?«
Lange Zeit dachte Chris über das Problem nach.
»Es gibt nur einen einzigen sicheren Weg«, sagte er schließlich. »Sie müssen es aus dem Haus tragen und woanders aufwachsen lassen … vielleicht in einem Zoo.« Er zuckte mit den Achseln. »Das ist die einzige Möglichkeit, um das Risiko zu vermeiden.«
»Oh, was ich vergessen habe«, sagte Dyer. »Es gibt keinen Zoo. Ihre Familie lebt auf einer winzigen Insel mitten im Ozean. Weiter gibt es nichts. Man kann es nirgendwohin sonst bringen.«
»Dann müssen Sie sich seiner entledigen. Es gibt keinen anderen Weg.«
»Nicht so schnell! Den Kindern würde das aber gar nicht passen.« Chris gab einen tiefen Seufzer von sich und schüttelte langsam den Kopf.
»Wenn das so aussieht und Sie wirklich absolut sichergehen wollen, dann sorgen Sie aber ganz bestimmt dafür, dass Sie ihnen beibringen, wie sie sich schützen können, bevor es ausgewachsen ist«, meinte er. »Falls es wirklich zum Äußersten kommt …«
10
Dyer hievte die Beine auf die Couch und entspannte sich. Dabei hing einer seiner Arme locker über die Rückenlehne. Auf dem gegenüberliegenden Flussufer von Irvington lag der Schein der untergehenden Sonne, die den Anschein erweckte, als ergösse sie ihren Lebenssaft in das sich kräuselnde Wasser.
Zugleich fiel ein milder, orangefarbiger Schein auf die Wände des Apartments. Ganz gewiss konnte nichts zutreffender das Ende eines ereignisreichen Tages ausdrücken als ein Sonnenuntergang, dachte er. Das war die Zeit, um die Überbleibsel gedanklich zu sortieren, die nach einem Tag auf der Strecke geblieben waren, den man ohne weiteres für immer in einem Aktenordner mit der Aufschrift »Angesammelte Erfahrungen« hätte abheften können.
Nach einer Nacht unbewusst vorgenommener Reduzierung von Daten würden die klar umrissenen Details für immer verschwunden sein. Chris hatte einmal eine seiner zutreffenden Bemerkungen über Sonnenuntergänge gemacht. Er lächelte kaum merklich, als er daran dachte: »Deutliche atmosphärische Streuungen von kürzeren Wellenlängen, die auf selektive Übertragung unterhalb von 650 Nanometern mit fortschreitend reduziertem Sonnenaufstieg hinauslaufen, rufen eine Tendenz irrationaler Euphorie bei primitiven Hirten domestizierter Schafe hervor.«
Sharon kam aus der Küche. Sie trug zwei Gläser und bewegte ihren Körper zum Rhythmus der Musik, die aus den Lautsprechern kam, die an der Wand versenkt eingelassen waren. Sie ging quer durch den Raum, drückte Dyer ein Bier in die Hand und wogte wieder fort, auf das Fenster zu.
»Ich kann wirklich nicht verstehen, warum du lieber drinnen bleiben willst«, ließ sie sich überschwänglich vernehmen, ohne sich dabei umzudrehen. »An einem Abend wie diesem …? Und dazu ist noch Freitag. Alle warten nur darauf, sich zu amüsieren. Warum willst du nur hierbleiben?«
»Ach, ich hab’ von dieser Scheiß-Stadt genug gesehen.« Dyer ließ sich wieder bequem zurücksinken und nippte an seinem Drink. »Warum ruhen wir uns nicht ein einziges Mal richtig aus? Wie wär’s mit einem richtig geschmackvollen Menü, das einmal nur daheim zubereitet wird? Wir machen ein paar Flaschen auf, stellen gute Musik an …«
»Und dann?« fragte Sharon argwöhnisch.
»Nichts. Es einfach nur genießen.« Er goss mit einem langen Zug ein halbes Glas Bier hinab und wischte sich den Schnurrbart mit der Seite eines Fingers ab. »Wir könnten uns auf ein tiefsinniges Gespräch über Kohlköpfe, Könige und den Sinn des Universums einlassen.«
»Es stellt sich immer heraus, dass Philosophie lediglich ein hübscher Begriff für etwas viel Kürzeres ist.« Sharon wirbelte zwischen Couch und Fenster herum und wies zugleich mit einem ausgestreckten Arm mit unbestimmter Geste auf die Tür, die zum Schlafzimmer führte. »Heute Abend möchte ich nett sein.«
»Aber was könnte denn netter sein?«
»Ich meinte nett zu jedem … zu Menschen. Ich verspüre den Drang, unter Menschen zu sein. Wie wär’s, wenn wir zurück in die Stadt fahren und mal sehen würden, wie’s im ›Cat’s Whisker‹ oder im ›Marquis‹ ist – irgendwo, wo wir tanzen können. Sues Schwester hat heute Geburtstag. Es sind ein Haufen netter Leute im ›Marquis‹. Ich hab’ ihnen gesagt, wir würden aller
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