Der Cop und die Lady
„Vielleicht war ja alles nur ein dummer Zufall, und sie war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort.”
„Es gibt da allerdings eine Sache, die mich stutzig macht, Lieutenant”, fuhr Simms nun eifrig fort. „Ich war bei der Adresse, die Sie mir gegeben haben. Da, wo sie arbeitet, meine ich. Die Firma heißt Zakroff und Duchesne, klingelt’s da bei Ihnen?” Als Mike nicht reagierte, fügte er vielsagend hinzu: „Sie handeln mit Edelsteinen.”
Da fiel bei Mike der Groschen. ,Ach, ja, diese …”
„Entschuldigung, Lieutenant”, unterbrach ihn Simms, „der Chef kommt gerade.
Er möchte Sie kurz mal sprechen.”
Dann tönte Mike die tiefe Stimme von Morris Hecht entgegen. „Simms behauptet, dass Ihr Opfer eine Amnesie hat, stimmt das?“ Der Sarkasmus war nicht zu überhören.
„Laut ärztlicher Diagnose, ja.”
„Glauben Sie an Zufälle, Novalis? Ich nicht.” Ohne Mike die Gelegenheit zu einer Erwiderung zu geben, fuhr Hecht fort: „Wenn ausgerechnet eine Angestellte der Firma, die sowohl das FBI als auch Interpol auf dem Kieker haben, einem Mordanschlag zum Opfer fällt, kann ich beim besten Willen nicht mehr an einen Zufall glauben. Ich nehme an, dass sich über kurz oder lang unsere Freunde vom FBI dieser Sache annehmen werden.”
Novalis schnaubte ungehalten. Er und Morris Hecht waren sich in ihrem Ärger über die FBI-Agenten, die sich ständig in ihre Fälle einmischten, einig. Nicht selten setzten sich Undercover-Agenten über geltendes Recht hinweg und arbeiteten in einer Grauzone, die sich nicht mehr kontrollieren ließ.
„Na ja”, fuhr Hecht jetzt fort, „ich muss auf jeden Fall einen Bericht machen, aber ich bin mir sicher, dass zwei, drei Tage ins Land gehen werden, ehe sie etwas unternehmen. Und bis dahin bleiben Sie an dem Fall dran, Novalis. Versuchen Sie rauszufinden, ob die Frau da mit drinhängt. Aber wenden Sie bitte nicht die Pfadfindermethoden unserer lieben Kollegen vom FBI an. Sie wissen, ich mag das nicht.”
„Alles klar, Hecht. Die Botschaft ist angekommen. Ich melde mich wieder.”
„Und, Novalis …” Hechts Stimme klang grimmig. „Verrennen Sie sich nicht.
Das können Sie sich nicht erlauben. Wenn diesmal irgendwas schiefgeht, kostet Sie das den Kopf, so leid es mir tut.”
Mike hüllte sich in Schweigen. Er wusste, dass Hecht für das, was er sagte, seine Gründe hatte. Was also sollte er dazu noch sagen?
„Amnesie!” Hecht schnaubte verächtlich. „Das gibt’s doch nur in schlechten Filmen.” Ohne eine Erwiderung abzuwarten, legte er auf.
Novalis sah die Neurologin den Flur entlangeilen und stellte sich ihr in den Weg.
„Haben Sie einen Moment Zeit, Dr. Anderson?” Nachdem sie genickt hatte, fuhr er fort: „Sind Sie sich sicher, dass Nina Dennison ihr Gedächtnis verloren hat?”
„Wollen Sie von mir wissen, ob es möglich ist, dass sie die Amnesie nur vortäuscht?” Ihr Tonfall war sachlich, aber in ihren Augen stand Missbilligung.
Woran sich Novalis allerdings nicht im geringsten störte. Er war daran gewöhnt, den Leuten Fragen zu stellen, die ihnen nicht passten.
„Ja, genau das ist es, was ich wissen will.”
„Nun, ich vermute, dass es Ihre Pflicht ist, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Meiner Meinung nach jedenfalls ist Nina Dennisons Amnesie echt. Ihre Reaktionen sind sehr typisch, und ihr Fall ist keineswegs ungewöhnlich. Aber es gibt natürlich keine Möglichkeit, eine Vortäuschung falscher Tatsachen auszuschließen. Wir können uns nur an das halten, was die Patientin behauptet.
Allerdings muss ich auch zugeben, dass es möglich ist, eine Amnesie vorzutäuschen, wenn man clever genug ist.”
„Vielen Dank, Doktor. Sie waren mir eine große Hilfe.”
Tief in Gedanken versunken, ging Mike Novalis zu Ninas Zimmer zurück.
Bevor er anklopfte, gemahnte er sich zur Vorsicht.
„Sehr hübsch”, bemerkte er und musterte sie beifällig.
Seine Worte hoben seltsamerweise ihr Selbstbewusstsein. Sie zog sich den Ärmel ihres Pullovers übers Handgelenk und sah ihn an. „Wenigstens scheine ich keinen schlechten Geschmack zu haben.”
„Stimmt.”
Noch bevor Nina etwas erwidern konnte, kam ein Krankenpfleger und brachte auf einem Tablett das Frühstück. Dabei fiel ihr ein, dass sie keine Ahnung hatte, wie spät es eigentlich war. Auf dem Nachttisch lag eine Armbanduhr, ein elegantes schlichtes Modell. Als sie sie in die Hand nahm, sah sie, dass sie auf 1:39 stehengeblieben war.
„Das ist wahrscheinlich bei
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