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Der Coup von Marseille

Der Coup von Marseille

Titel: Der Coup von Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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Begeisterungsstürme ausbreche.«
    »Das werden Sie, mein lieber Sam, das werden Sie.« Leutselig reichte er Sam die Weinkarte. »Doch darf ich Sie zuerst bitten, den Wein für uns auszuwählen? Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie ein Händchen für einen guten Tropfen.« Seine Worte wurden von einem Stirnrunzeln und einem verschwörerischen Nicken des Kopfes begleitet, als würde er ihm ein Geheimnis anvertrauen.
    Es war das erste Mal, dass Reboul – wenn auch indirekt – auf Sams Rolle beim Raub von mehreren Hundert Flaschen Wein anspielte, dessen Beschaffung ihn so große Mühe gekostet hatte. Doch der Vorfall belustigte den Mogul aus Marseille offenbar, wie man aus seinem wohlwollenden Ver halten und der lächelnden Miene schließen konnte. Ein trügerischer Schein? Vielleicht war das nicht der richtige Moment, um dieser Frage nachzuforschen, dachte Sam. Er schob die Weinkarte beiseite, ohne einen Blick hineinzuwerfen. »Ich hoffe, Sie sind einverstanden, aber der Wein ist bereits bestellt. Ich habe mir hier einen kleinen Weinkeller angelegt, leider nicht mit Ihrem zu vergleichen, und zwei Flaschen ausgewählt, die Sie interessant finden könnten. Einen Châteauneuf-du-Pape – einen weißen – und einen unserer lokalen Weine, den Sie vielleicht noch nicht probiert haben: den Beckstoffer Cabernet aus Napa Valley. Wie klingt das?«
    Reboul blickte von der Speisekarte auf. »Vorzüglich. Und nun sagen Sie mir, meine liebe Elena, was soll ich essen? Frauen wissen das immer am besten. Ich gebe mich ganz in Ihre Hände.«
    Elena tätschelte seinen Arm. »Überlassen Sie das ruhig mir.« Sie vertiefte sich ein paar Minuten in die Speisekarte. » Soupe au pistou? Nein, lieber nicht, ich schätze, eine provenzalische Gemüsesuppe bekommen Sie überall in Ihrer Heimat. Die Meeresfrüchte sind hier ausgezeichnet; als Vorspeise würde ich vorschlagen, Krebsküchlein an Avocadopüree …«
    Reboul hob die Hand. »Halt, sagen Sie nichts mehr! Ich bin ganz versessen auf Krebsküchlein. Dafür würde ich sogar einen Mord begehen.«
    »Aber doch nicht hier. Eher schon in Marseille, oder? Hoffen wir, dass sich das erübrigt.« Elena blickte von der Speisekarte auf. »Was für einen Tag haben wir heute? Dienstag? Sehr gut – die Spezialität des Hauses ist heute Kaninchen schmorbraten mit Pappardelle und Waldpilzen. Köstlich, glau ben Sie mir.«
    »Erstaunlich«, erwiderte Reboul. »Ich wusste nicht, dass Amerikaner Kaninchen essen.«
    »Eine Amerikanerin wie ich schon.«
    Die Bestellungen wurden aufgegeben, die Flaschen ent korkt, und der Champagner wurde mit der gebührenden Aufmerksamkeit bedacht. Reboul zuckte entschuldigend mit den Schultern, weil er bei Tisch geschäftliche Angelegenheiten zur Sprache brachte, bevor er in groben Zügen den Grund seines Besuches zu schildern begann.
    »Sie müssen wissen, Marseille ist eine außergewöhnliche Stadt«, begann er. »Sie wurde vor mehr als zweitausendsechshundert Jahren gegründet, bevor Paris auch nur dem Namen nach zu Paris wurde. Und hat riesige Ausmaße. Die Grundfläche von Marseille ist heute doppelt so groß wie die von Paris. Doch wie Sie sich vorstellen können, ist das Land entlang der Küste von Marseille – Land, das sich mit den Füßen im Mittelmeer befindet, wie wir sagen – beinahe vollständig erschlossen.« Er hielt kurz inne, um einen Schluck Champagner zu trinken. »Mit Ausnahme einer idyllischen kleinen Bucht, der Anse des Pêcheurs, die sich östlich des Vieux Port, des Alten Hafens, befindet. Ich möchte Sie nicht mit historischen Details langweilen, sondern mich darauf beschränken, dass dieses Areal in Bestlage hundertzwanzig Jahre lang von Kommunalpolitikern und Bauunternehmen mehrerer Generationen heiß umkämpft wurde. Es gab deswegen etliche Schmiergeldaffären auf beiden Seiten, mehrere Gerichtsverfahren und mindestens einen Mord. Doch vor zwei Jahren fiel die Entscheidung, die Anse des Pêcheurs nun doch zu erschließen. Das Projekt liegt mir sehr am Herzen, ich habe bereits viel Zeit und Geld investiert, aber …«
    Die Ankunft der Krebsküchlein veranlasste Reboul, eine Pause einzulegen, die Serviette in den Kragen seines Hemdes zu stopfen, den weißen Châteauneuf zu kosten und Sam zu seiner Wahl zu gratulieren.
    »Sagen Sie, was hat die Leute nach hundertzwanzig Jahren doch noch zu einem Sinneswandel bewogen?«, erkundigte sich Sam.
    Reboul nahm einen längeren, achtsameren Schluck Châteauneuf, behielt ihn eine Weile im Mund und

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