Der Dämonen-Gnom
war mittlerweile schon aufgestanden und hatte das Zimmer längst verlassen.
Der Abbé blieb lächelnd an der Tür stehen und wünschte mir einen guten Abend.
Meine Hände sanken nach unten. »Meine Güte, das ist ja schrecklich. Wie lange habe ich denn geschlafen?«
»Lange genug.«
»Entschuldige, aber…«
»Bitte, John, du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen. Es ist wunderbar, wenn ein Mensch schläft, damit er möglichst ausgeruht seine kommenden Aufgaben angehen kann.«
»Trotzdem schäme ich mich.« Ich hob die Schultern. »Leider gibt es manchmal Tage, wo man richtig kaputt ist, und so ist es mir gegangen.«
Ich rieb wieder meine Augen und stand auf.
Wenn ich ehrlich sein soll, dann hat mir der Schlaf gutgetan. Am frühen Nachmittag waren Suko und ich in Alet-les-Bains eingetroffen und waren dem Vorschlag des Abbés gefolgt, uns nach einer kurzen Besichtigung des Knochensessels erst mal auszuruhen. Und nun steckte zumindest ich wieder voller Tatendrang, verspürte gleichzeitig auch einen gewissen Hunger, was mir Bloch wohl von den Augen abgelesen haben mußte, denn er sprach mich lächelnd darauf an. »Du siehst aus, als könntest du ein Essen vertragen.«
»Stimmt.«
»Deshalb habe ich dich geweckt.«
»Danke.« Ich deutete auf das leere Bett. »Was ist denn mit Suko los?«
»Er wurde von allein wach.«
Ich strich die Haare zurück und kämmte sie so mit den Fingern. »Er ist eben härter im Nehmen.«
»Komm, das Essen wartet.«
Der Abbé gab den Weg frei, und ich konnte das Zimmer verlassen. Es lag in der ersten Etage des geräumigen Hauses, das von zahlreichen Templern bewohnt wurde. Dafür, daß es so viele waren, war es erstaunlich ruhig in dem Haus. Nur aus dem Dachgeschoß, wo die technische Abteilung eingerichtet worden war, vernahm ich das Tuten eines Telefons.
Auf dem Weg zum Speisesaal bekam ich Zeit, darüber nachzudenken, was mich veranlaßt hatte, von London aus anzureisen. Suko und ich hatten auf einen Anruf Abbé Blochs reagiert, der von einer großen Gefahr gesprochen hatte, die sich allmählich zusammenbraute. Es war kein direkter Angriff auf ihn und seine Brüder gewesen, diese Gefahr war mehr aus der Vergangenheit gekommen. Jemand hatte es tatsächlich geschafft, sie dort loszulösen. Wer das war, wußten wir nicht, und wir hofften natürlich, daß uns der Abbé aufklären würde. Allerdings gingen wir davon aus, daß es sich um die Templer drehte.
Der Abbé gehörte zu den Menschen, die schweigen konnten und nur dann redeten, wenn es wichtig war. Er war ein Feind der reinen Worthülsen, bei ihm beinhaltete jeder Satz eine gewisse Information, und ich konnte nur hoffen, daß sich dies nicht geändert hatte.
Die Templer saßen, sofern sie Zeit hatten, beim abendlichen Essen zusammen. Es war noch nicht spät, knapp achtzehn Uhr, aber draußen lag die Dunkelheit bereits wie eine Decke. Es war auch hier kalt geworden, man rechnete mit dem ersten Schnee, und die südlich von Alet-les-Bains liegenden Pyrenäen lagen bereits unter einer Schneedecke.
Der lange Tisch war etwa zur Hälfte besetzt. Ich konnte mir einen Platz aussuchen und schaute in das grinsende Gesicht meines Freundes, der auf den leeren Stuhl neben sich deutete. »Na, großer Geisterjäger, endlich ausgeschlafen?«
Ich winkte ab. »Nein, abgebrochen.«
Er lachte. »Ja, ja, wenn man alt wird.«
»Lieber alt als häßlich.«
»Wer ist das denn?«
Ich kam um eine Antwort herum, denn auch der Abbé hatte seinen Platz eingenommen und die Hände zum Gebet gefaltet. Die anderen Templer schauten zu, sie warteten mit ihrem Essen, bis der Abbé das Kreuzzeichen geschlagen hatte.
Der Abbé saß an der Stirnseite des langen Tisches, über dem drei segeiförmige Lampen schwebten und ihren Schein auf der Platte verteilten. Hinter mir hörte ich Schritte, drehte mich im Sitzen um und sah einen Mann, der eine neue Schüssel brachte. Er stellte sie ab, hob den Deckel hoch, und der Geruch des gut gewürzten Eintopfs stieg mir in die Nase.
Es war eine dicke, sättigende Gemüsesuppe, in der auch saftige Fleischstücke schwammen. Sie stammten vom Lamm.
»Das hat mir gefehlt«, sagte ich und wollte dem Abbé den Vorzug lassen, der aber schüttelte den Kopf.
»Erst du, John, denn du bist der Gast.«
Suko mußte wieder sticheln. »Immer wenn er aufsteht, hat er einen Bärenhunger. Du mußt achtgeben, Abbé, daß er dir noch etwas übrigläßt. Ich kenne das und bin ein gebranntes Kind.«
»Verschluck dich nicht«,
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