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Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Titel: Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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erfahren Sie im Italienischkurs an Ihrer örtlichen Volkshochschule.

    Einzahl und Mehrzahl italienischer Lehnwörter Singular Plural
    Singular Plural
    Broccolo
    Broccoli,
    Palazzo Palazzi
    (nur ital.)
    Brokkoli
    Cappuccino Cappuccino, Papagallo Papagalli
    Cappuccini,
    Cappucinos
    Cello Celli, Paparazzo Paparazzi
    Cellos
    Espresso Espresso, Pizza Pizzas,
    Espressi,
    Pizzen,
    Espressos
    Pizze (nur ital.)
    Gnocco Gnocchi Solo
    Solos,
    Soli
    Grafitto Grafitti Spaghetto
    Spaghetti
    (neudeutsch:
    Spagetti)
    Lira Lire Torso
    Torsi,
    Torsos
    Mafioso Mafiosi Zucchina Zucchini

    Bratskartoffeln und Spiegelsei

    Heißt es Schadensersatz oder Schadenersatz? Zahlt man Einkommensteuer oder Einkommenssteuer? Immer mehr Begriffen scheint der vertraute S-Laut in der Mitte abhanden zu kommen. Das muss man sich jedoch nicht gefallen lassen. Ein Plädoyer für gut geschmierte Sprache und gegen unsinniges Amt[s]deutsch.

    »Das heißt Essenmarken und nicht Essensmarken«, bellt der Unteroffizier den Rekruten an, »es heißt ja auch nicht Bratskartoffeln und Spiegelsei!« Diesen Spruch wiederholt er am Tag mindestens zwanzig Mal, und es bereitet ihm immer wieder Genuss, einem unbedarften Brenner* eine laute Lektion in Sachen Amtsdeutsch erteilen zu können. Das gibt ihm ein Gefühl von Überlegenheit und Macht. Zum Glück kommen jedes Quartal neue Wehrpflichtige, die ihn garantiert fragen werden, ob sie bei ihm »Essensmarken« bekommen können. Und wenn es nicht die Marken sind, dann ist es das berühmte »Dreiecktuch«, das früher oder später jemand »Dreieckstuch« nennen wird. So wird der
    Unteroffizier noch viel zu bellen haben und sich immer wieder der Illusion von Überlegenheit und Macht hingeben können.

    * Brenner, auch: Zecken, Rotärsche – Bundeswehrjargon für Anfänger, Rekruten, Wehrpflichtige in der Grundausbildung Wenn ihm einer frech kommt, kann er sich auf die Dienstvorschriften berufen, denn da steht
    »Essenmarken«. Und Vorschrift ist Vorschrift, wie jeder weiß, dagegen kann selbst ein Literaturnobelpreisträger nichts ausrichten. Außerhalb seiner Kaserne gilt diese Vorschrift allerdings nicht. Außerhalb seiner Kaserne sagen die meisten Menschen »Essensmarken«, mit so genanntem Fugen-s, und das mit Fug und Recht.
    Außerhalb der Kaserne sagen sie auch Dreieckstuch.
    Dort herrscht Freiheit der Sprache, und Freiheit bedeutet Vielfalt und nicht selten Verunsicherung.

    Warum heißt es Mordsspaß, aber Mordopfer? Warum sagen wir Rindsleder, aber Rindfleisch? Warum haben Schiffstaufe und Schiffsschraube ein Fugen-s, Schifffahrt und Schiffbruch aber nicht? Wer legt fest, ob und womit die Nahtstelle zwischen zwei zusammengeschweißten Wörtern verfugt wird?
    Die Antwort auf diese Fragen liegt irgendwo im Nebel der Sprachgeschichte. Die meisten dieser Fügungen sind historisch gereift. Bei einigen handelt es sich um zusammengewachsene Wortgruppen, bei denen das Fugenzeichen den Genitiv markierte: Des Königs Hof wurde zum Königshof, des Herzens Freude zur Herzensfreude.
    Andere Fügungen wurden in Analogie zu bereits
    bestehenden Formen gebildet: Auch wenn sich auf einer Bischofskonferenz mehrere Bischöfe zu treffen pflegen, heißt es dennoch nicht Bischöfekonferenz, denn man orientierte sich bei der Wortbildung an bekannten Komposita wie Bischofsstab und Bischofswürde. Der Versuch, eindeutige Regeln zu definieren, ist zum Scheitern verurteilt. Dafür ist das Gebiet zu
    unübersichtlich, vermeintliche Gesetzmäßigkeiten zu widersprüchlich und von Ausnahmen durchlöchert wie ein mottenzerfressener Umhang. Aber wir haben uns daran gewöhnt. Dass es nicht Bratskartoffeln und Spiegelsei heißt, sagt uns unser Sprachgefühl. Was uns heute am meisten zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass immer wieder neue Begriffe auftauchen, denen das vertraute Fugen-s abhanden gekommen zu sein scheint.

    Wer schuldlos in einen Unfall verwickelt wird, hat in der Regel Anspruch auf Schadensersatz. Die
    Versicherung gewährt ihm aber allenfalls Schadenersatz.
    Beflissentlich ignoriert sie Schadensfälle und Schadensmeldungen; wenn überhaupt, dann registriert sie einen Schadenfall und eine Schadennummer und verlangt Angaben zu Schadentag und Schadenhergang.
    Ist das nun richtig oder falsch? Heißt es nicht »des Schadens Ersatz«, und wäre dann nicht Schadensersatz die korrekte Form? Es gibt einiges, was dafür spricht.
    Zum Beispiel das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), dort ist ausschließlich von Schadensersatz die Rede.
    Wie

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