Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1
der legendären Plastikdreingaben jetzt als Waffenlieferant im Orient betätigen. Es wäre immerhin nicht das erste Mal, dass Deutschland bedenkliche Produkte in den Irak exportiert. Oder hat wo-möglich nur jemand den Begriff »Rocket Propelled Grenade«, kurz RPG, falsch übersetzt? Dann hätten wir es nämlich mit einer Panzerfaust zu tun, und schon sähe die Sache anders aus.
Die viel beschworene technische Überlegenheit der Amerikaner will allerdings auch nicht so recht einleuchten, wenn man lesen muss, dass die Soldaten über »tragbare Radios« miteinander in Verbindung stehen. Diese Radios hätten auf dem Weg von Kuweit quer durch die Wüste den Dienst versagt, da sich die Batterien auf Grund der Hitze zu schnell erschöpften.
Wieso gibt man den Soldaten auch tragbare Radios mit, wundert sich der Leser. Erst später dämmert ihm, dass da im Originaltext wohl »mobile radios« gestanden hatte und jemand nicht darauf gekommen war, dies mit
»Funkgeräten« zu übersetzen.
Auch die gern zitierten »smoking guns« sind nur unzureichend mit »rauchenden Colts« wiedergegeben; das englische »gun« bedeutet nämlich sehr viel mehr als nur Pistole oder Gewehr, es heißt genauso Kanone, Geschütz. In Anlehnung an die Western-Serie mit dem deutschen Titel
»Rauchende Colts« lassen deutschsprachige Medien die US-Amerikaner auch heute noch mit Revolvern herumballern; das Mündungsfeuer der modernen
Artillerie wird zur Wildwest-Schießerei verniedlicht.
Ganz abgesehen davon, dass der Ausdruck »smoking gun« im Englischen als Metapher für einen
»unumstößlichen Beweis« verwendet wird.
Auf ihre Weise putzig war die Meldung der
Nachrichtenagentur dpa, in der von »Kanonenwatte« die Rede war. Das Terrornetz al-Qaida arbeite an der Herstellung von Sprengsätzen auf Zellulose-Basis, hieß es da. Die Sprengsätze sollten mit einer Substanz namens Nitrozellulose hergestellt werden, die sehr leicht entflammbar sei und in geschlossenen Behältern eine explosive Wirkung habe. Diese Substanz werde auch
»Kanonenwatte« genannt. Donnerwetter! Es dauerte nicht lange, da erhob sich ein Proteststurm von che-miekundigen Lesern, die darüber aufklärten, dass die angebliche »Kanonenwatte« auf Deutsch
»Schießbaumwolle« genannt werde. Ein Blick ins Lexikon verschaffte Klarheit: » Schießbaumwolle «, auch
»Schießwolle« oder Nitrozellulose genannt, ist eine altbekannte chemische Zusammensetzung aus
Salpetersäure und Baumwolle. Also nichts mit Kanonen und Watte. Da wurde der englische Ausdruck »gun cotton« zu flauschig übersetzt. Schießbaumwolle wäre die korrekte deutsche Entsprechung gewesen.
Traktoren, Propellergeschosse und Kanonenwatte –
man kann nur hoffen, dass die Regierenden in Berlin ihre Entscheidungen über Kriegs- und Friedenseinsätze nicht auf Grundlage von übersetzten Agenturmeldungen fällen.
Sollten Sie sich mit dem Gedanken tragen, demnächst in eine Krisenregion zu reisen, dann rüsten Sie sich gut!
Nehmen Sie ein Englisch-Wörterbuch mit!
Schrittweise Zunahme der Adjektivierung
Mit wachsender Besorgnis registrieren deutsche Sprachwächter ein Phänomen, das als illegale
Adjektivierung von Umstandswörtern bezeichnet werden kann. Ausgehend von der Wirtschaft, hat es inzwischen auch Politik und Journalismus erfasst. Selbst der Bundeskanzler trägt zu seiner Verbreitung bei.
Da sitzt man nichts Böses ahnend beim Frühstück, schlürft seinen Kaffee, blättert noch ein wenig schläfrig in der Zeitung, und dann auf einmal das: »EZB-Präsident Wim Duisenberg sagte auf der Pressekonferenz
vorsichtig, dass eine schrittweise Zunahme des Wachstums in Richtung Potenzialwachstum das
Hauptszenario der EZB darstelle.« Eine schrittweise Zunahme? Klingelt da nicht was? Aber hallo! In der Zentrale der deutschen Sprachpolizei schrillen in diesem Moment sämtliche Alarmglocken. Wörter, die auf -weise enden, gehören zur Familie der modalen Adverbien, auch Umstandswörter der Art und Weise genannt. Die
Daseinsberechtigung von Adverbien besteht darin, Verben zu beschreiben, und nicht Nomen. Dafür gibt es die so genannten Adjektive, eine mit den Adverbien zwar unbestreitbar verwandte, aber dennoch andere Wortart.
Adjektive haben den Adverbien vor allem eines voraus: Sie können als Attribute gebraucht werden, das heißt unmittelbar vor einem Hauptwort platziert werden. Der Roman ist mehrteilig — also ist er »ein mehrteiliger Roman«, und »mehrteilig« ist das Attribut. Die
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