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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Dativ gefordert −
    als Retter des Genitivs! Denn der Genitiv selbst unterscheidet
    sich im Plural nicht von Nominativ und Akkusativ, sehen Sie
    selbst: die Briefe, der Briefe, den Briefen, die Briefe − der
    einzige Kasus mit erkennbarer Veränderung ist hier der
    Dativ: den Briefen. Daher heißt es: laut Briefen − nicht um
    dem Genitiv eins auszuwischen, sondern weil der Genitiv

    einfach nicht kompliziert genug ist! Der Dativ beugt sich ein
    Stück weiter − daher erhält er den Zuschlag.
    Übrigens: Laut Wörterbuch kann die Präposition »laut«
    nur vor einem Hauptwort stehen, das etwas Gesprochenes
    oder Geschriebenes wiedergibt. Also nicht »laut Bauplan«
    oder »laut Zeichnung« (und entsprechend wohl auch nicht
    »laut Malerei«, obwohl es ja die Lautmalerei gibt). Da
    kommt man aber ins Grübeln: Demnach müsste nämlich
    auch »laut Herrn Müller« nicht korrekt sein, denn Herr
    Müller mag zwar viel Gesprochenes oder Geschriebenes von
    sich geben, doch ist er selbst immer noch ein Mensch aus
    Fleisch und Blut. Also nur»laut Anweisung von Herrn
    Müller«? Und was ist mit all den vielen »laut Bundeskanzler
    Schröder« und »laut Präsident Bush«, die man täglich in den
    Nachrichten findet? Die Definition muss wohl etwas
    erweitert werden: »laut« darfauch vor Personen stehen, die
    die Quelle der Verlautbarung sind. Zum Beispiel: »laut des
    Sprechers« oder »laut dem Sprecher« − oder kurz: »laut
    Sprecher« (nicht zu verwechseln mit Lautsprecher).
    Wer hinter »laut« Personen erlaubt, der muss auch Pro-
    nomen erlauben. Doch wie heißt es richtig, lieber Zwie-
    belfisch? »Laut ihm« oder »laut seiner«? Klingt der Genitiv
    hier nicht reichlich ungewöhnlich? Gestelzt und antiquiert?
    Tja − wofür würden Sie sich entscheiden? Ring frei für die
    nächste Runde: Der Genitiv ist noch längst nicht so tot, wie
    der Dativ ihm gern hätte!

    Wie baut man einen Türken?
    Frage einer Leserin: Immer wieder stolpere ich in der Presse
    über die Bezeichnung »getürkt«, wenn es um Betrug und
    Fälschung geht. Zum Beispiel in einem Artikel über einen ins
    Zwielicht geratenen deutschen Wissenschaftler. Darin heißt
    es: »Zunächst für den Nobelpreis vorgeschlagen und dann
    zum Scharlatan erklärt: Nach zehn Jahren verliert ein Bonner
    Chemiker seinen Doktortitel wegen getürkter Experimente.«
    Dafür hätte ich gerne eine verständliche Erklärung. Nicht
    dafür, dass man dem Chemiker den Titel aberkennt, sondern
    für die Verwendung des Wortes »getürkt«. Man will doch
    nicht allen Ernstes Türken mit Fälschern gleichsetzen?
    Antwort des Zwiebelfischs: Der Ausdruck »etwas tür-
    ken« geht zurück auf die Redewendung »einen Türken
    bauen«(älter auch:»einen Türken stellen«) und bedeutet tat-
    sächlich »fälschen«, »fingieren«. Im Herkunftswörterbuch
    aus dem Dudenverlag steht, dass die Etymologie des Wortes
    trotz aller Deutungsversuche ungeklärt sei. Zwei dieser
    Deutungsversuche findet man im »Lexikon der populären
    Sprachirrtümer« von Walter Krämer und Wolfgang Sauer*.
    Dort heißt es, dass bei der Einweihung des Nord-Ostsee-
    Kanals (damals noch »Kaiser-Wilhelm-Kanal« genannt) im
    Jahre 1895 alle durchfahrenden Schiffe mit der jeweiligen
    Nationalhymne ihres Landes begrüßt wurden. Als ein Schiff
    mit der Fahne des Osmanischen Reiches auftauchte, war der
    Dirigent ratlos, denn man hatte keine Noten einer türki-
    schen Hymne. Um nicht unhöflich zu erscheinen, intonier-

    * Krämer, Walter/Sauer, Wolfgang:» Lexikon der populären Sprachirrtü
    mer«. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2001.

    te das Orchester stattdessen »Guter Mond, du stehst so stil-
    le« − inspiriert vom Halbmond auf der Fahne. Daraus soll
    sich die Redensart »einen Türken bauen« entwickelt haben.
    Die andere Erklärung geht ins 18. Jahrhundert zurück und
    bezieht sich auf einen Schachautomaten, den ein gewisser
    Baron Wolfgang von Kempelen gebaut hatte. Dabei handelte
    es sich um eine Art Kommode, an die eine orientalisch ge-
    kleidete Puppe montiert war. Dieser Automat gewann fast
    alle Partien, aber freilich nicht durch Zauberei, sondern
    durch einen raffinierten Trick: Im Inneren hielt sich ein
    Schachmeister versteckt, der seine Figuren über Hebel be-
    wegte. Nachdem der Schwindel aufgeflogen war, wurde der
    Ausdruck »einen Türken bauen« zum Sinnbild für »tricksen«
    und »fälschen«.
    Ob eine dieser Erklärungen der tatsächlichen Herkunft des
    Wortes »türken«

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