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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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chic«

    zurück, doch ist dieses wiederum ein Lehnwort aus der
    deutschen Sprache. Dass etwas »schicklich« ist oder »sich
    schickt«, sagte man im Deutschen nämlich schon lange, be-
    vor die Mode »chic« wurde. Das mittelniederdeutsche Wort
    »schick« stand für Gestalt, Form und Brauch, »schicklich«
    hat die Bedeutung »angemessen«, »geziemend «.Irgendwann
    galt es als unschicklich, schick zu sagen, das Wort geriet aus
    der Mode. Über das Elsass und die Schweiz gelangte es in
    den französischen Sprachraum, von wo aus es im 19. Jahr-
    hundert als »chic« nach Deutschland reimportiert wurde, um
    dann wiederum zu »schick« eingedeutscht zu werden.
    »Schick« ist also ein deutsch-französisch-deutsches Wort,
    während »ausgepowert« ein französisch-deutsches Wort ist,
    das nachträglich anglisiert wurde.

    Der Pabst ist tod, der Pabst ist tod!

    Zu den bewegendsten Begebenheiten des Jahres 2005 zählen zwei-
    fellos das Sterben und der Tod des Papstes Johannes Paul II. Millionen
    haben ihn geliebt und verehrt, auch bei uns in Deutschland. Als er
    starb, war die Trauer groß. Ob der allgemeinen Bestürzung schien die
    deutsche Sprache zeitweise völlig durcheinander zu geraten.
    Lange hat es gedauert, das Pontifikat Johannes Pauls II. Und
    lange währte auch das Siechtum dieses Papstes. Am 3. April
    2005, einem Samstag, starb er, der von so vielen Menschen
    in aller Welt verehrte Mann. Manche nannten ihn respekt-
    voll den »Jahrhundert-Papst«. Für die meisten war er aber
    einfach »der Papst«. Abgesehen von denjenigen, für die er
    immer»der Pabst« war.
    Nicht nur Millionen Gläubige haben sein Sterben mit gro-
    ßer Anteilnahme begleitet, auch die Medien waren rund um
    die Uhr dabei. Immer wieder gab es Unterbrechungen lau-
    fender Sendungen und Live-Schaltungen nach Rom mit der
    bangen Frage: »Lebt er noch, oder ist er...?«Viele Reporter
    hatten Scheu, das Wort »tot« in den Mund zu nehmen, so-
    lange der Tod des Papstes noch nicht offiziell feststand. Das
    ist durchaus verständlich, man wollte ja nichts beschreien.
    Also warteten die Reporter gespannt auf die Verkündung,
    auf die amtliche Bekanntmachung. Einige warteten auch
    auf die »Verkündigung«. So nennt man − vor allem im theo-
    logischen Zusammenhang − eine feierliche Bekanntma-
    chung, wie zum Beispiel die Verkündigung der Auferstehung
    Christi.
    Kaum war der Papst tot, war die Scheu vor dem t-Wort
    wie weggeblasen, und »tot« war in aller Munde. Nun wurde
    der Papst sogar für jene Zeit zum Toten erklärt, in der er
    noch quicklebendig war. Ein Redakteur erinnerte sich an die

    »vielen Länder, die der tote Papst bereist hat«. Doch ein toter
    Papst reist höchstens im Sarg. Die nachgereichte Korrektur
    »die der tote Papst zu Lebzeiten bereist hat« machte es nicht
    besser. Der Papst hat gelebt, aber »der tote Papst« ist nur ei-
    nes: tot. Auf der Internetseite newsroom.de war der Papst
    allerdings fünf Stunden lang »tod«, bevor er endlich »tot«
    sein durfte. Dafür war er zuvor auch von anderen immer
    wieder als »totkrank« geschildert worden − wiewohl »tod-
    krank« zweifellos zutreffender gewesen wäre (siehe Tabelle
    am Ende dieses Kapitels). Ein Blick in den Duden kann sich
    selbst im Angesicht des Todes noch als nützlich erweisen.
    Zumindest sollte man nicht davor zurückschrecken, wenn
    man über den Tod eines Menschen schreibt. Auch ein prü-
    fender Blick auf nebeneinander gestellte Begriffe kann nicht
    schaden. In den letzten Tagen vor seinem Tod wurde der
    Papst häufig als »stark geschwächt« beschrieben. Ein unfrei-
    willig komisches Paradoxon, wenn man’s genau nimmt.
    Demnach wäre jemand, dem es nach schwerer Krankheit
    wieder etwas besser geht, »schwach gestärkt«.
    Prompt las man von »Pilgerern«, die zu Tausenden nach
    Rom strömten, um von Papst Johannes Paul II. Abschied zu
    nehmen. Ein Fehler, der übrigens immer wieder auftaucht
    und selbst renommierten Tageszeitungen unterläuft, wie die
    folgenden Beispiele zeigen:

    »Mit Heiligenschein und segnend ausgebreiteten Armen steht
    er auf einer Weltkugel und begrüßt die Pilgerer.«(»Die
    Welt«, 6.12.2003)
    »Auch Altbischof Hubert Luthe, der Begründer dieser Tradi-
    tion, ließ es sich nicht nehmen, die Pilgerer zu begleiten.«
    (»WAZ«, 10.4.2004)
    »Aus dem Bub in der Kapelle wird ein Paris-Pilgerer, ein un-
    ermüdlicher Reisender in der Weltliteratur.«(»Süddeutsche
    Zeitung«, 16.4.2004)

    Es heißt »die Wanderer«,

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