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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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für …«, »Ich finde es richtig, dass …«). Allerdings ist »Ich denke« womöglich immer noch besser als das umständliche »Ich würde sagen«, über das sich schon Generationen von Lehrern vergebens ereifert haben.
    Dass unter dem Einfluss des Englischen im Deutschen immer mehr »gemacht« wird, kam bereits im Zusammenhang mit »Sinn machen« zur Sprache. »What a difference a day makes«, lautet der Titel eines amerikanischen Song-Klassikers. Welchen Unterschied etwas macht, fragt man sich immer häufiger auch auf Deutsch: »Was macht das für einen Unterschied?« Doch das ist umgangssprachlich und gilt als zweite Wahl hinter »worin liegt/besteht der Unterschied«. Vorläufig noch.
    In Sportreportagen hört man immer häufiger verdrehte Ausdrücke wie »Halbzeit zwei« und »Minute 68« anstelle der üblichen »zweiten Halbzeit« und der »68. Minute«. Woher die Sportberichterstatter das haben? Aus einem Lehrbuch für gutes Deutsch bestimmt nicht. Auch dies ist zweifellos ein Amerikanismus. Im Englischen ist es Brauch, die Zahlen nachzustellen, so heißt es beispielsweise auch »in World War II«, wenn »im Zweiten Weltkrieg« gemeint ist. Und auch diese syntaktische Verbiegung findet bereits im Deutschen eifrige Nachahmer: »In Weltkrieg II standen sich Deutsche und Amerikaner erneut gegenüber.« Gruselig!
    Überhaupt die Präposition »in«! Sie hat sich im deutschen Wirtschaftsjargon inzwischen einen festen Platz an ungewöhnlicher Stelle erobert: vor Jahreszahlen. »Der Hersteller rechnet mit einem deutlichen Anstieg der Verkaufszahlen in 2005.« Von allen unsinnigen Amerikanismen ist dies der unsinnigste. Auf Deutsch heißt es entweder »im Jahre 2005« oder einfach nur »2005«. So begann der Zweite Weltkrieg 1939, nicht etwa in 1939. Endlich ist das Deutsche einmal direkter und kürzer als das Englische, prompt wird es von einem Amerikanismus verwässert!
    Es ist im Grunde wie mit den Lochern, die man im Büro benutzt. Wem ist das nicht schon mal passiert: Da steht man stundenlang am Kopierer, vervielfältigt Seite um Seite, schichtet die Blätter am Ende zu einem sauberen Stapel, legt ihn in den Locher und stanzt unter Aufbietung seiner gesamten Kraft zwei Löcher hinein. Beim Abheften dann die grausige Feststellung: Die Löcher sitzen falsch! Statt auf A4 hat man den Stapel auf US-Format gelocht! Das passiert leicht, wenn man die Anlegeleiste nicht weit genug herauszieht. Jeder, der das erlebt hat, verflucht diese Locher und fragt sich, wozu man in Deutschland das US-Format überhaupt braucht. Und genauso ist es mit vielen Amerikanismen: Man fragt sich, wozu man sie braucht.
    Ob wir es wollen oder nicht, das amerikanische Englisch verändert unsere Sprache. Ob zum Guten oder zum Schlechten, das sei dahingestellt. Vielleicht sind reflexive Verben zu umständlich, um auf Dauer in der deutschen Sprache überleben zu können. Vielleicht sind die glatten amerikanischen Strukturen gegenüber manch holpriger deutschen Konstruktion tatsächlich im Vorteil.
    Jedem steht es frei, sich seine Worte und seine Syntax selbst zu wählen. Und wenn er die amerikanisierte Version bevorzugt – warum nicht. Es kann nur nicht schaden zu wissen, wie es auf Deutsch eigentlich heißt oder mal geheißen hat.

Von Protestlern, Widerständlern und Abweichlern
    Der Teufel steckt im Detail. Zum Beispiel in einer unscheinbaren Endsilbe. Tagtäglich werden Politiker, Gewerkschafter und andere Mitglieder der Gesellschaft in der Presse zu Fuzzis deklassiert. Schuld ist ein scheinbar harmloses Wortanhängsel, das ehrbare Arbeit und mutiges Aufbegehren läppisch klingen lässt.
    Sie sind die Helden unserer Gesellschaft: Sportler, Wissenschaftler, Künstler. Eines haben sie auf den ersten Blick gemeinsam: das Suffix. Suffix ist der Fachausdruck für eine Ableitungssilbe, die an ein Wort oder einen Wortstamm angehängt wird. In diesem Fall ist es das -ler, dessen schöpferische Leistung darin besteht, aus einem Sachgebiet – Sport, Wissenschaft, Kunst – eine Person – den Sportler, den Wissenschaftler, den Künstler – zu erschaffen.
    Somit scheint diesem Suffix grundsätzlich nichts Schlechtes innezuwohnen. Dennoch vermag es, an ungewohnter oder falscher Stelle gesetzt, Böses anzurichten. Mit dem kleinen -ler lassen sich einzelne Personen und ganze Gruppen sprachlich herabwürdigen. In der Regel geschieht dies in voller Absicht, zum Beispiel in Kommentaren, wenn es darum geht, einer in Ungnade gefallenen Person einen

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