Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
Vom Netzwerk:
Urlaubsresorts entdeckt, dass sich ihre Attraktivität um ein Vielfaches steigern lässt, wenn sie sich in Bereiche unterteilen. So wimmelt es in den einschlägigen Prospekten von Hinweisen wie: »In unserem Poolbereich haben Sie die Möglichkeit, sich mit Erfrischungsgetränken zu versorgen.« Und: »Genießen Sie die umfangreiche Auswahl im Barbereich.« Wer außerdem einen Hometrainer, ein paar Hanteln, eine beheizte Holzkabine und ein Sprudelbecken zu bieten hat, der bewirbt seinen »modernen Fitnessbereich«, den »großzügigen Saunabereich« und den »exklusiven Wellnessbereich«. Mit seiner Bereichseinteilung kommt jeder Hotelier groß raus.
    Da will natürlich niemand im bereichslosen Schatten bleiben. Wenn sich Hotels und Restaurants mit Foyerbereichen und Barbereichen brüsten, dann verweist das kleine Stehcafé am Eck nicht minder bedeutsam auf seinen »Verzehrbereich«.
    Besonders reich an Bereichen ist der Sportbereich. Da wird zunächst einmal grundsätzlich zwischen Spielerbereich und Zuschauerbereich unterschieden. Fußballfelder, traditionell durch eine Mittellinie in zwei überschaubare Hälften geteilt, sind mittlerweile von Dutzenden variabler Bereichslinien durchzogen. Das geht vom Angriffsbereich über den Mittelfeldbereich und den Abwehrbereich bis hin zum Torwartbereich. Selbst der Schiedsrichter hat seinen Schiedsrichterbereich, und wer eine Mannschaft trainiert, der arbeitet selbstverständlich im Trainerbereich.
    Und als wäre das alles noch nicht genug, breitet sich der Bereichswahn unaufhaltsam von der räumlichen in die zeitliche Dimension aus. Auch die Zeit ist inzwischen in Bereiche unterteilt:
    Eine Computerschule bietet »Kurse für Frauen im Morgenbereich« an, ein Gymnasium verspricht »eine Erweiterung des Freizeitangebots im Mittagsbereich«, und immer mehr Menschen verabreden sich zu gemeinsamen Unternehmungen »im Abendbereich«.
    Wo unbedarfte Gemüter noch von »Tag« und »Nacht« sprechen, sind Werbeagenturen längst dazu übergegangen, zwischen Tag- und Nachtbereich zu unterscheiden. Der IT-Bereich und der Physik-Bereich kommen ohne die Einteilung in Stunden- und Minutenbereiche nicht mehr aus, und der Banken- und Wirtschaftsbereich beobachtet die Entwicklung von Kursen und Wertpapieren im Monats- und Jahresbereich.
    Ein Kollege berichtete mir von einem Erlebnis in einem Sportfachgeschäft. Auf der Suche nach Treckingsandalen wandte er sich an eine Verkäuferin, die ihm höflich, aber bestimmt zu verstehen gab: »Diesen Artikel führen wir nur im Sommerbereich.«
    Ob die permanente Vermehrung der Bereiche tatsächlich eine Bereicherung der Sprache bedeutet, darf an dieser Stelle bezweifelt werden. Letztlich handelt es sich um nichts anderes als einen überflüssigen Appendix, der Eleganz oder Bedeutung vortäuschen soll, wo in Wirklichkeit die gewohnte Banalität herrscht. Das Harnlassen wird jedenfalls nicht zu einem höheren Erlebnis, wenn man statt einer Toilette den Toilettenbereich aufsucht.

Kampf um den Titel der First Lady
    »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Erste im ganzen Land?« – »Frau Schröder-Köpf, Ihr seid die Erste hier, doch die Gattin des Johannes, unseres ersten Mannes, steht noch einen Platz höher als Ihr!« Was wie die moderne Adaption eines Grimm’schen Märchens klingt, ist ein großes protokollarisches Dilemma.
    Damals in Gallien waren die Verhältnisse ganz klar: Gutemine war die Gemahlin des Chefs und somit die erste Frau im Dorf. Beim Fischhändler brauchte sie sich nicht in die Schlange einzureihen, sondern wurde selbstverständlich vor allen anderen bedient. Jeder zollte ihr Respekt, und wenn nicht, dann flogen die Fische. Auch ihr Mann Majestix (»Schnäuzelchen«) tat gut daran, sich unterzuordnen. Es bestand kein Zweifel: Gutemine war die »First Lady« der unbeugsamen Gallier.
    Freilich wurde sie im Dorf nicht so genannt, denn der Begriff war ja englisch. Und die Gallier haben es ja bekanntlich nicht so mit dem Englischen. Bei den Teutonen sind englische Wörter dafür umso beliebter, vor allem, wenn sie aus Amerika kommen. Doch nicht jede praktische Formel lässt sich ohne weiteres aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen; oftmals sind die Verhältnisse zu unterschiedlich. Dennoch verfallen viele sofort in den Automatismus, wann immer sie in irgendeinem Land auf irgendeinem roten Teppich eine offensichtlich geehelichte Frau an der Seite eines offensichtlich amtierenden Regierungschefs ausmachen, von der »First

Weitere Kostenlose Bücher