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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Lady« zu sprechen. So haben wir es schließlich von den Amerikanern, unseren großen sprachlichen Vorbildern, gelernt: Die Ehefrau des Oberhäuptlings ist die First Lady.
    Folglich wird dieser Titel generös und gnadenlos auf sämtliche anderen Ehefrauen von Regierenden übertragen: Was bei den Amerikanern derzeit Laura Bush, ist bei den Franzosen Bernadette Chirac, bei den Briten Cherie Blair und bei uns in Deutschland … na klar, Doris Schröder-Köpf. Selbst die Russen, bis vor ein paar Jahren noch Bollwerk gegen die Amerikanisierung der Welt, haben inzwischen nicht nur eine Mafia und ein eigenes Terrorismus-Problem, sondern auch eine eigene First Lady: Ljudmila Putina.
    Halt, stopp! Wie war das eben? Doris Schröder-Köpf soll die First Lady Deutschlands sein? Die »erste Frau im Staate«? Und was ist mit der Frau des Bundespräsidenten? Kommt Christina Rau      Anmerkung     erst an zweiter Stelle? Laut Protokoll steht der Bundespräsident drei Stufen über dem Kanzler. Kann dann die Frau des Kanzlers über der des Präsidenten stehen? Vom Paradoxon mal ganz abgesehen, dass die vierte Ehefrau Gerhard Schröders die »erste« Lady sein soll …
    Und wie ist es mit Großbritannien? Wenn Cherie Blair die First Lady ist, was ist dann die Queen? Second Lady? Immerhin trägt sie die Ziffer II bereits in ihrem Namen. Doch eine solche Titulierung fände Elizabeth II. ganz bestimmt nicht lustig.
    Gehen wir doch mal logisch vor: Erste Frau im Staat kann nur sein, wessen Ehepartner protokollarisch an der Staatsspitze steht. In den USA ist es Laura Bush, weil ihr Mann George W. Bush das Staatsoberhaupt ist. Das Staatsoberhaupt Großbritanniens ist die Queen, und die ist mit Prinz Philip verheiratet, demnach ist er die First Lady.
    Laut Lexikon ist die First Lady eine Präsidentengattin, und weil Großbritannien keinen Präsidenten hat, hat es auch keine First Lady. Punktum. Ein Schock für alle Politikredakteure: Wie soll man da noch einen Text über Cherie Blair schreiben können, wenn dieses wichtige Synonym wegfällt? Halb so schlimm! Der Begriff »Premiersgattin« passt ebenso gut und kommt obendrein ohne Leerzeichen aus.
    Und wie verhält es sich mit Deutschland? Zu Zeiten von Wilhelmine Lübke hätte niemand die herausragende Rolle der Präsidentengattin in Frage gestellt. Heute mag man darüber streiten. Aber auf Doris Schröder-Köpf passt die Bezeichnung »First Lady« ebenso wenig wie auf Cherie Blair.
    Ein Kollege wollte der Lexikon-Definition nicht glauben und behauptete, die First Lady sei immer die Frau des Regierungschefs. Demnach aber hieße die First Lady Frankreichs nicht Bernadette Chirac, sondern Anne-Marie Raffarin, denn Regierungschef ist derzeit Jean-Pierre Raffarin und nicht Jacques Chirac. Dieser Erklärungsversuch taugt also nichts, da ist man mit der Definition »Präsidentengattin« doch besser beraten. Was aber nicht besagt, dass Bernadette Chirac sich widerspruchslos einen amerikanischen Aufkleber verpassen ließe. Wer die Gutemine des 21. Jahrhunderts unfranzösisch mit »First Lady« anspricht, darf sich nicht wundern, wenn »Schnäuzelchen« Jacques ihm dafür auf die Zehen tritt. Beim Teutates!
    Was die USA betrifft, so hat George W. Bush selbst einmal eine äußerst eigenwillige Definition der »First Lady« geliefert, wie man sie nur ihm allein zutraut: »The most important job is not to be governor, or first lady in my case.« (»Die wichtigste Aufgabe besteht nicht darin, Gouverneur zu sein, oder First Lady, wie in meinem Falle.«)

Ich erinnere das nicht
    Sie verstehen es, sich zu tarnen, sie tragen deutsche Alltagskleidung und fallen daher in der Menge kaum auf. Die Rede ist von unsichtbaren Amerikanismen. Heimlich unterwandern sie unsere Sprache und verändern unsere Syntax, ohne dass wir es sofort merken. Die Wörter klingen zwar noch deutsch, doch die Strukturen sind es nicht mehr.
    Wieder eine dieser Talkshows mit einem prominenten Politiker. Wassergläser auf den Tischen, eine zottelige Jazzcombo im Hintergrund, ein geschniegelter Moderator, der immer wieder seine Stichwortkärtchen auf der Suche nach intelligenten Fragen überfliegt – dann die Erwähnung eines bedeutsamen Ereignisses, verbunden mit der launigen Frage des Moderators an seinen Gast: »Erzählen Sie doch mal, wie war das; können Sie das noch erinnern?« Der Politiker schlägt das rechte Bein über das linke, streicht sich übers Haar und erwidert mit einem wissenden Lächeln: »Nun, ich denke, ich

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