Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5
Torwart. Wie schon eine alte Erkenntnis besagt: Es hüte sich vor Toresschluss der Torhüter vorm Toresschuss!
Und ist das Spiel erst gewonnen, dann ist der Jubel groß! Dann gibt’s einen Autokorso oder mehr, ja, am besten ganz viele Autokorsos bis tief in die Nacht. »Wenn schon, dann Autokorsi«, mag vielleicht der eine oder andere denken, »schließlich kommt das aus dem Italienischen, so wie Espresso und Cappuccino. Und die werden in der Mehrzahl doch auch zu Espressi und Cappuccini!« Das stimmt vielleicht, zumindest für die Italiener; im Deutschen wird die Mehrzahl gerne anders gebildet. Da werden Espressi zu Espressos (was erlaubt ist) und Scampi zu Scampis (was falsch ist, da Scampi bereits die Mehrzahlform ist). Mag sein, dass »corso« im Italienischen zu »corsi« wird, unser eingedeutschter »Korso« bekommt einfach nur ein »-s« angehängt: ein Korso, zwei Korsos – das war’s. Keine Autokorsi und auch keine Autokorsa. Eher ließe ich mir noch einen deutschen Plural auf »-en« gefallen: Autokorsen. Das klingt doch schön!
Eine Fußballmannschaft wird gerne als Elf bezeichnet, weil sie nun mal aus elf Spielern besteht, Reservebank und Rotkartenausfälle nicht mitgerechnet. Sportberichterstatter lieben dieses Ersatzwort für »Mannschaft« und sprechen gern von »der Elf«, allerdings immer nur von einer Elf, nie von zweien, obwohl ein Spiel doch aus zweimal elf Spielern besteht. Aber ich habe noch nie den Satz gehört: »In diesem Spiel haben die beiden Elfen wirklich alles gegeben.« Vielleicht, weil es zu sehr nach einem Märchen klingt.
Nicht nur Elfen und Korsen bringen den europäischen Fußball ins Rollen. Da gibt es auch noch andere Völker, zum Beispiel die Holländer. Oder auch die Niederländer. Mein Freund Edgar ist Niederländer; er kann sich nur schwer daran gewöhnen, dass wir Deutschen von seinem Land stets im Plural sprechen. Viele seiner Sätze begannen mit »Bei uns in Niederland …« Ich verbesserte ihn: »Im Deutschen heißt es die Niederlande!« Irgendwann hatte er es dann halbwegs begriffen, denn nun sagte er: »Bei uns in die Niederlande …«
Man spricht von »den Niederlanden«, weil es sich um mehrere Länder handelt. Holland ist übrigens eines davon. Holland ist ein Niederland. Maximal zwei Niederlande, wenn man die Provinzunterteilung in Nordholland und Südholland berücksichtigt. Aber die anderen Niederlande (wie Limburg, Friesland oder Gelderland) sind nicht Holland. Das wird uns Deutsche allerdings nicht davon abhalten, weiterhin Holland mit den gesamten Niederlanden gleichzusetzen, so wie wir für die Franzosen immer die Alemannen sein werden und für die Finnen die Sachsen. Pars pro toto, sagt man wohl dazu, oder, wie meine Freundin Sibylle sagen würde: Pizza proschuto.
Wenn man aus den Niederlanden stammt, ist es schwer einzusehen, warum es dann nicht auch Ostlande oder Südlande gibt, sondern nur Ostländer und Südländer. Und warum die Mehrzahl von »Bundesland« nicht »Bundeslande« heißt, sondern »Bundesländer«. Tatsächlich haben sich zu dem Wort »Land« zwei Mehrzahlformen entwickelt, »Lande« ist die ältere, »Länder« die jüngere. »Lande« findet sich daher nur noch in historisch geprägten Begriffen wie »in teutschen Landen«. Neuere Zusammensetzungen werden mit Ländern und nicht mit Landen gebildet.
Ein schönes altes Wort für »Insel« ist »Eiland«. Die Mehrzahl lautet »Eilande«. Kolumbus hat also keine Eiländer entdeckt, auch wenn er das Ei erfunden und viele Länder entdeckt haben mag. Die Wörterbücher haben »Eiland« mit dem Zusatz »poetisch« (Wahrig), »literarisch« (Pons) oder »gehoben« (Duden) versehen. In Analogie zu »Niederlande/Niederländer« müssten die Bewohner eines Eilandes eigentlich »Eiländer« genannt werden. Doch bei Eiländern stößt die gehobene literarische Poesie offenbar an ihre Grenzen, denn das Wort taucht in keinem Wörterbuch auf. Meine französische Freundin Suzanne schwört allerdings, das Wort »Eiländer« zu kennen: »Kennst du nischt diesen Film mit Christopher Lambert: ’ighlandär – Es kann nur einen geben?«
Und dann gibt es da noch ein Land, von dem sich weder die eine noch die andere Mehrzahl bilden lässt, nämlich das Land als Gegensatz zur Stadt. Mein Onkel lebt auf dem Land; sein Nachbar übrigens auch, das mögen Sie vielleicht nicht einmal erstaunlich finden. Beide wohnen aber nicht auf demselben Land, auch wenn sie zweifellos in demselben Land leben. Sie leben auf
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