Der dicke Löwe kommt zuletzt
Marmorsteinen und schaute behaglich über die Brüstung aufs Meer. Es hatte sich in die schöne Aussicht verliebt, besonders abends, wenn die Sonne unterging. Dann kamen ihm immer besonders gefühlvolle Gedanken.
Es zerkaute gerade eine Banane — plötzlich aber schluckte es sie ganz hinunter: »O Freunde«, rief es, »Freunde, es kommt ein Boot! Schon lange hörte ich es tuckern, und dann sah ich ein Segel, aber ich habe es nicht für wichtig gehalten. Es fahren ja so viele Boote auf dem Meer herum und an der Insel vorbei. Von hier oben sieht man sie besonders gut. Aber dieses... Dok, hast du dein Fernglas dabei?«
»Ja — warum?«
»In dem Boot liegt etwas Gelbes — und wenn ich diese Farbe sehe, fühle ich mich so sonderbar...«
Dok nahm sein Fernglas vor die Augen. Aufgeregt drehte er an der Stellschraube: »Nein, nein — aber das ist... Wie ist das nur möglich... }« murmelte er.
»Was denn?« fragten Miriam und das Kamel wie aus einem Mund.
»Ein Löwe! Ob es aber unser Löwe ist...?«
Da rannte das Kamel los, galoppierte zur Bucht hinunter. Dok und Miriam stolperten hinter ihm her. Sehr viel später langten sie unten an.
Das Kamel brüllte, so daß es weit über das Meer hallte: »Löwe, Löwe — bist du es?«
»Wer denn sonst — du altes Kamel!« donnerte es ebenso laut zurück.
»Er ist es! Nur Löwe kann so brüllen!« seufzte das Kamel. Es war überglücklich. Die Freude machte es sprachlos. Es stand nur da und schaute mit hängender Unterlippe.
Onkel Guckaus fuhr in die Bucht ein. Er sprang aus dem Boot und zerrte es an Land. Löwe war mit einem Satz auf dem Ufer. »Wo ist der Sultan?« rief er. »Ich will ihn retten!«
Da lachte das Kamel, bis ihm die Tränen aus den Augen kollerten, lachte: »Der dicke Löwe... Der dicke Löwe kommt zuletzt! O Löwe, du kommst zu spät! Der Sultan ist schon gerettet. Hätten wir auf dich gewartet, wäre er verhungert, während du ganz schön Speck angesetzt hast!«
»Ja — ich hatte ein bißchen wenig Bewegung in der letzten Zeit«, murmelte Löwe beschämt.
Löwenmärchen
Miriam, Dok und Vater Schluckauf machten sich inzwischen miteinander bekannt. Und als es Nacht wurde, saßen sie zu fünft auf der Terrasse der Inselvilla und erzählten Löwe, was sich alles zugetragen hatte und noch zutragen würde.
»Ich hoffe, du bist mit mir einverstanden, Löwe?« fragte Miriam. »Ich meine, weil ich nun die Frau des Sultans werde. Da du sein bester Freund bist, liegt mir viel daran, daß du mich gern hast!«
Sie zauste ihm die prächtige Mähne.
»Ich mag dich!« sagte er schlicht. Und das war die Wahrheit.
»Ja — und wo hast du dich denn die ganze Zeit herumgetrieben? Wir haben uns große Sorgen gemacht! Warum hast du uns kein Lebenszeichen geschickt, was ist mit dir geschehen?« fragte das Kamel.
»Hol’s der Deubel — huck — «, begann Vater Schluckauf. »Das ist wirklich merkwürdig — der Sultan will heiraten — huck — , und Löwe...«
Löwe schubste ihn mit der Schnauze und blinzelte ihm mehr als auffällig zu. Vater Schluckauf hustete vor Schreck.
Löwe fiel ihm ins Wort: »Ich... ja, das war nämlich so... als ich absegelte, nicht wahr, da segelte ich und segelte ich... und dann kam ein Sturm... und dann segelte ich nicht mehr... das heißt, ich wurde ohnmächtig in ein Land getrieben, das keiner von euch kennt... ganz bestimmt nicht... da wohnen Leute, die tragen die Beine auf den Köpfen, ja tatsächlich... und reden können sie nicht und hören auch nicht... und die nahmen mich gefangen... bis es mir endlich gelang zu entfliehen... zur Leuchtturminsel... Ja, und da bin ich nun!«
»Das soll wohl eine witzige Geschichte sein?« fragte das Kamel.
»Nein, nein, bestimmt nicht! Es war genau so!«
»Nun, verhungert bist du bei diesen seltsamen Leuten jedenfalls nicht«, meinte das Kamel. »Du willst wohl die Wahrheit nicht sagen, weil du dich schämst, den Sultan im Stich gelassen zu haben, he?«
Löwe schämte sich wirklich ein bißchen. Und er dachte sich, wie nett es wäre, den Sultan zur Hochzeit mit seiner Frau und den Kindern zu überraschen. Dann würde ihm bestimmt niemand mehr böse sein!
»Mir scheint, Löwe hat ein Geheimnis?« meinte Dok.
»Dann soll er es behalten!« sagte das Kamel weise. »Hauptsache, er ist wieder aufgetaucht.«
»Aber ich muß noch einmal verreisen! Zur Hochzeit des Sultans bin ich rechtzeitig wieder hier, das verspreche ich feierlich!«
»Ach so«, murmelte Vater Schluckauf. Ihm ging
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