0115 - Invasion der Riesenkäfer
Wo steckten sie?
Jaffir suchte mit seinen Blicken die Felswände ab. Manche zeigten Löcher, Eingänge zu den düsteren Höhlen, in denen die Sylphen lauerten.
Sie rochen das Menschenfleisch, denn es wurden ihnen fast jeden Tag Opfer gebracht.
Und heute war Jaffir an der Reihe. Dabei hatte er nichts Schlimmes getan. Er hatte nur das Weib eines anderen begehrt und mit der Frau geschlafen. Dabei war er von dem Ehemann überrascht worden. Was dieser mit seiner Frau getan hatte, wußte Jaffir nicht, doch ihn hatte das Hohe Gericht verurteilt.
Es war still in dem Kessel. Nicht ein Windzug fiel über den Rand.
Die Luft stand.
Als Jaffir zu den Rändern hochschaute, sah er seine Peiniger. Sie hockten dort wie steinerne Figuren und schauten hinunter in den Kessel.
Wenn Jaffir nur den Versuch machte, an einer Wand hochzuklettern, würden sie ihn töten. Zudem war es beinahe unmöglich, sich an den flachen Felsen hochzuhangeln. An einem Seil hatten sie ihn in die Tiefe gelassen und den Strick hohnlachend wieder hochgezogen.
Jaffir wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war. Er hatte überhaupt keinen Begriff für Zeit. Für ihn war der Tag zu Ende, wenn sich die Sonne zurückzog. Und er begann, wenn er die Sonne wieder sah.
Nie hätte er gedacht, daß es dieses Tal überhaupt gibt. Man hatte hinter versteckter Hand darüber gesprochen, flüsternd und ängstlich darauf bedacht, daß es kein Fremder hörte. Denn die Sylphen hatten ihre Anhänger überall. Die Sekte hatte sich wie eine Seuche über das Land verbreitet. Obwohl sie verboten war, blühte sie im Geheimen weiter.
Da hörte Jaffir das Geräusch.
Es war nicht laut, ein Schaben oder Reiben, aber direkt über ihm.
Jaffirs Nackenhaare sträubten sich. Er wußte, daß dieses Geräusch nicht von einem Mensch stammen konnte, nein, die Sylphen hatten seinen Geruch wahrgenommen.
Sie kamen…
Der kleine Ägypter zitterte. Noch nie in seinem Leben hatte er ein Monster gesehen, er kannte es nur von Wandzeichnungen und Erzählungen her, und er fürchtete sich vor dem Augenblick, wenn er einer Bestie gegenüberstand.
Jaffir stand auf.
Mit zitternden Knien ging er einige Schritte vor und drehte sich dann um.
Gespannt schaute er hoch zur Felswand.
Auch dort befanden sich die Höhlen, düstere Löcher. Drei zählte er, und aus dem mittleren kroch ein Schatten.
Das erste Untier war da.
Noch konnte er es nicht genau sehen, aber der Schatten wurde größer, und dann ließ er sich fallen.
Mit einem Schrei auf den Lippen warf sich der kleine Ägypter zurück und rannte. Es war sinnlos, doch die Panik diktierte in diesen Augenblicken sein Handeln.
Seine nackten Füße klatschten in den Sand, der zu kleinen Wolken aufstäubte.
Keuchend blieb er schließlich stehen, als er sah, daß auch an der Felswand vor ihm die Schatten aus den Höhlen drangen.
Er drehte sich um.
Seine Augen wurden groß.
Die erste Bestie kam bereits auf ihn zu.
Ein Geschöpf wie aus einem Alptraum. Ein riesenhafter Käfer, halb so groß wie ein ausgewachsener Mensch. Er lief auf sechs Beinen, seine beiden Augen bestanden aus zahlreichen Facetten, doch am schlimmsten waren die zwei Greifarme, die vorn wie die offenen Schenkel einer Schere auseinanderklappten.
Damit tötete er.
Jaffir schaute sich um. Wo konnte er sich verstecken? Er sah die glatten Wände und wußte, daß es keine Chance mehr gab.
Der Käfer lief weiter.
Mit jedem Schritt, den er zurücklegte, wurde er größer. Grausam war er anzusehen, die beiden Scheren bewegten sich, klappten laut gegeneinander.
Die Sylphen waren nichts anderes als mordende Käfer. Die Erzählungen stimmten. Seine Bekannten hatten recht gehabt, und auch die Zeichnungen logen nicht.
Wieder ließ sich ein Käfer in den Talkessel fallen. Er befand sich nun im Rücken des bedauernswerten Mannes.
Und ein dritter sprang.
Drei Sylphen.
Eine erdrückende Übermacht.
Jaffir schaute sich wild um. Weit waren seine Augen aufgerissen.
Die nackte Todesangst leuchtete darin. Sogar das Weiße seiner Augäpfel war zu sehen.
Die Angst stieg weiter…
Der erste Käfer war bereits so nah, daß seine Zangen den Mann fast berührten.
Jaffir bemerkte die Gefahr im letzten Augenblick, warf sich zur Seite und entging somit den zupackenden Zangen. Er hatte eine Galgenfrist erreicht, mehr nicht…
Vom Rand des Talkessels schauten seine Peiniger gespannt zu.
Sie wollten wissen, wie lange Jaffir noch am Leben blieb.
Es hatte Männer gegeben, die sich heldenhaft wehrten,
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