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Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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spektakulärsten, eindrucksvollsten Verfahren war.
    Im Operationsraum hievte ich Dan auf den Tisch und untersuchte seine Hüfte. Kein Zweifel – der Oberschenkelkopf war nach hinten aus der Gelenkpfanne herausgetreten. Ich fühlte es deutlich mit dem Daumen.
    Der Hund blickte sich nur einmal um, nämlich als ich behutsam versuchte, das Bein zu beugen. Dann wandte er sich wieder ab und starrte entschlossen geradeaus, demütig in sein Schicksal ergeben.
    »Ein braver Hund«, sagte ich. »Und obendrein ein sehr hübsches Tier.«
    Helen strich ihm über den breiten weißen Stirnfleck. Dan wedelte langsam mit dem Schwanz.
    »Ja«, sagte sie. »Er ist der Liebling der Familie und außerdem sehr arbeitsam. Ich hoffe nur, die Verletzung ist nicht zu schlimm.«
    »Hm, es ist eine Hüftverrenkung. Scheußliche Sache, aber mit ein bißchen Glück müßte ich’s eigentlich in Ordnung bringen können.«
    »Und was ist, wenn es nicht gelingt?«
    »Dann würde sich da oben ein falsches Gelenk bilden. Er würde wochenlang lahmen und wahrscheinlich immer ein leicht verkürztes Bein haben.«
    »O Gott, das wäre ja entsetzlich! Glauben Sie, er wird wieder in Ordnung kommen?«
    Ich sah auf das folgsame Tier, das immer noch unbeirrt vor sich hinstarrte. »Ich glaube, er hat eine gute Chance. Es ist gut, daß Sie gleich mit ihm hergekommen sind. Je schneller man diese Dinge in Angriff nimmt, um so besser.«
    »Fein, und wann können Sie mit der Behandlung beginnen?«
    »Jetzt gleich.« Ich ging zur Tür. »Ich will nur Tristan rufen, damit er mir zur Hand geht.«
    »Kann ich Ihnen nicht helfen? Bitte!«
    Ich sah sie zweifelnd an. »Na, ich weiß nicht. Es wird ein heftiges Gezerre geben. Natürlich wird er betäubt, aber trotzdem ist es kein Spaß.«
    Helen lachte. »Oh, ich bin nicht zimperlich. Ich bin den Umgang mit Tieren gewohnt.«
    »Gut«, sagte ich. »Dann ziehen Sie diesen Kittel an. Wir fangen gleich an.«
    Der Hund zuckte nicht einmal, als ich die Nadel in die Vene stieß. Das Nembutal wirkte sofort. Sein Kopf sank gegen Helens Arm, und gleich darauf lag er bewußtlos auf der Seite.
    Ich ließ die Nadel in der Vene und betrachtete das schlafende Tier.
    »Ich sollte ihm vielleicht ein bißchen mehr geben. Je tiefer er schläft, um so mehr läßt der Widerstand der Muskeln nach.«
    Schließlich lag Dan so schlaff wie eine Stoffpuppe da. Ich ergriff das verletzte Bein. Über den Tisch hinweg sagte ich zu Helen: »Jetzt falten Sie bitte die Hände unter seinem Schenkel, und dann halten Sie ihn so fest, wie Sie können, wenn ich ziehe. Verstanden? Also los – jetzt!«
    Es erfordert erstaunlich viel Kraft, den Kopf eines verrenkten Oberschenkelknochens über den Rand der Gelenkpfanne zu ziehen. Ich zog fest und stetig mit der rechten Hand und drückte gleichzeitig mit der linken auf den Oberschenkelkopf. Helen machte ihre Sache gut. Sie stemmte sich mit aller Kraft gegen die Zugbewegung, und vor lauter Konzentration schoben sich ihre Lippen vor.
    Ich meine, es müßte für diese Prozedur eine narrensichere Methode geben, ein Verfahren, das gleich beim erstenmal funktioniert, aber ich bin nie dahintergekommen. Ich habe immer erst nach mehreren Versuchen Erfolg gehabt, und so war es auch diesmal. Ich probierte es mit allen möglichen Drehungen und Bewegungen und mochte gar nicht daran denken, wie ich dastehen würde, falls es mir ausgerechnet in diesem Fall nicht gelang. Ich überlegte gerade, was Helen wohl von diesem Ringkampf hielt, als ich plötzlich das leise Knacken hörte. Ein süßer und willkommener Laut!
    Ich bog das Hüftgelenk hin und her. Keinerlei Widerstand mehr! Der Oberschenkelkopf bewegte sich wieder geschmeidig in seiner Gelenkpfanne.
    »So, das wär’s«, sagte ich. »Ich hoffe, es bleibt dabei. Wir wollen alle Daumen halten. Manchmal springt der Oberschenkelkopf wieder heraus, aber diesmal habe ich das Gefühl, es ist alles in Ordnung.«
    Helen strich mit der Hand über die seidigen Ohren und den Hals des schlafenden Hundes. »Armer Dan«, sagte sie. »Bestimmt wäre er nicht über die Mauer gesprungen, wenn er gewußt hätte, was ihn erwartete. Wann wird er wieder zu sich kommen?«
    »Oh, ich nehme an, erst gegen Abend. Wenn er aufwacht, sollten Sie bei ihm sein und ihn stützen, sonst fällt er womöglich und renkt sich das Ding noch einmal aus. Vielleicht rufen Sie mich an, damit ich Bescheid weiß.«
    Ich nahm Dan auf beide Arme und trug ihn vorsichtig hinaus. Im Flur kam mir Mrs. Hall entgegen. Sie trug

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