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Der Dolchstoss

Der Dolchstoss

Titel: Der Dolchstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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weißen Haars fühlte sich Elayne an eine Gruppe Novizinnen erinnert die nach dem letzten Läuten eine Kissenschlacht veranstalteten, als die Herrin der Novizinnen hereinkam.
    Reanne blickte zögernd über ihre Fingerspitzen. »Wir werden wirklich in die Burg zurückkehren dürfen?« fragte sie kaum hörbar.
    Elayne nickte. »Diejenigen, die lernen können, Aes Sedai zu werden, werden die Chance bekommen, aber es wird für alle Platz sein. Für jede Frau, welche die Macht lenken kann.«
    Ungeweinte Tränen schimmerten in Reannes Augen. Elayne war sich nicht sicher, aber sie glaubte die Frau flüstern zu hören: »Ich kann eine Grüne werden.« Es fiel ihr sehr schwer, nicht zu ihr zu eilen und sie zu umarmen.
    Keine der anderen Aes Sedai zeigte Gefühle, und Merilille war gewiß aus noch härterem Holz. »Wenn ich eine Frage stellen dürfte, Elayne? Reanne, wie viele ... von Euch werden wir aufnehmen?« Die kleine Pause sollte zweifellos die Formulierung »wie viele Wilde und Frauen, die es beim ersten Mal nicht geschafft haben« verhindern.
    Wenn Reanne es bemerkte oder vermutete, kümmerte sie sich nicht darum. »Ich kann nicht glauben, daß jemand das Angebot ablehnen würde«, sagte sie atemlos. »Es wird vielleicht einige Zeit dauern, alle zu benachrichtigen. Wir bleiben verstreut, versteht Ihr, damit...« Sie lachte ein wenig nervös und noch immer den Tränen nahe. »...damit Aes Sedai uns nicht bemerken. Im Moment stehen eintausendsiebenhundertdreiundachtzig Namen auf der Liste.«
    Die meisten Aes Sedai lernten, ein Erschrecken hinter äußerlicher Ruhe zu verbergen, und nur Sareitha ließ es zu, daß sich ihre Augen weiteten. Sie formulierte auch lautlos Worte, und Elayne kannte sie gut genug, um ihre Lippen lesen zu können. Zweitausend Wilde! Das Licht helfe uns! Elayne beschäftigte sich angelegentlich mit ihren Röcken, bis sie sicher war, daß sie ihre Miene beherrschte. Das Licht helfe ihnen in der Tat.
    Reanne mißverstand das Schweigen. »Habt Ihr mehr erwartet? Jedes Jahr sterben mehrere Frauen bei Unfällen oder eines natürlichen Todes, wie andere Menschen auch, und ich fürchte, die Schwesternschaft hat sich in den letzten tausend Jahren verringert. Vielleicht waren wir zu vorsichtig darin, uns Frauen anzunähern, wenn sie die Weiße Burg verlassen, aber es bestand immer die Angst, daß eine von ihnen berichten könnte, befragt worden zu sein, und ... und...«
    »Wir sind nicht im geringsten enttäuscht«, versicherte Elayne ihr mit tröstlichen Gesten. Enttäuscht? Sie hätte beinahe hysterisch gekichert. Es gab fast doppelt so viele Mitglieder der Schwesternschaft wie Aes Sedai! Egwene würde niemals behaupten können, sie hätte nicht ihren Teil dazu beigetragen, Frauen, welche die Macht lenken konnten, in die Burg zu bringen. Aber wenn die Schwesternschaft Wilde ablehnte... Sie mußte bei der Sache bleiben. Die Schwesternschaft war nur zufällig entdeckt worden. »Reanne«, sagte sie sanft, »meint Ihr, Ihr könntet Euch jetzt daran erinnern, wo sich die Schale der Winde befindet?«
    Reanne errötete zutiefst. »Wir sind niemals damit in Berührung gekommen, Elayne Sedai. Ich weiß nicht, warum Angreale gesammelt wurden. Ich habe niemals von dieser Schale der Winde gehört, aber es gibt einen Lagerraum, wie Ihr ihn beschrieben habt, drüben...«
    Im unteren Stockwerk lenkte eine Frau kurz die Macht, und jemand schrie in höchstem Entsetzen.
    Elayne sprang blitzartig auf, wie auch alle anderen.
    Birgitte zog irgendwo unter ihrem mit Federn geschmückten Gewand einen Dolch hervor.
    »Das muß Derys gewesen sein«, sagte Reanne. »Sie ist die einzige, die noch im Haus ist.«
    Elayne eilte voran und ergriff ihren Arm, als sie zur Tür laufen wollte. »Ihr seid noch keine Grüne«, murmelte sie und wurde mit einem reizenden, gleichzeitig überraschten und schüchternen Lächeln bedacht. »Wir werden uns darum kümmern, Reanne.«
    Merilille und die anderen stellten sich auf beiden Seiten auf, bereit, Elayne aus dem Raum zu folgen, aber Birgitte war bereits vor ihnen allen an der Tür und grinste, während sie nach dem Riegel griff. Elayne schluckte und schwieg. Das war die Ehre der Behüter, sagten die Gaidin: als erste hineinzugehen und als letzte herauszukommen. Aber sie umarmte dennoch Saidar, bereit, alles zu zermalmen, was ihre Behüterin bedrohen würde.
    Die Tür öffnete sich, bevor Birgitte den Riegel anheben konnte.
    Mat schlenderte herein und schob eine schlanke Dienerin, an die Elayne

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