Der Dolchstoss
Aufständische war aus ihrer Ajah ausgestoßen worden, bis Elaida die Erlaubnis erteilte, um Wiederaufnahme zu bitten, aber die einstigen Blauen wußten, daß ihnen schwierige Jahre bevorstanden, in denen sie sich ihre Gunst mühsam wieder verdienen mußten, Jahre, bevor man ihnen erlauben würde, überhaupt wieder einer Ajah beizutreten. Bis dahin lag ihr Schicksal in ihrer Hand.
Sie erhob sich, und es schien, als sei die sie vom Zirkel durchströmende Eine Macht eine Manifestation ihrer Stärke. »Der Saal stimmt mit dem Willen des Amyrlin-Sitzes überein. Romanda soll als erste gezüchtigt werden.« Romanda hob ruckartig den Kopf. Sie würde schon sehen, wieviel Würde sie bewahren konnte, bis sie gedämpft wurde. Elaida vollführte eine knappe Geste. »Bringt die Gefangenen fort und führt die ersten der armseligen irregeleiteten Schwestern herein, die ihnen gefolgt sind. Ich werde ihre Unterwerfung annehmen.«
Unter den Gefangenen erklang ein Aufschrei, und eine Frau riß sich von dem ihren Arm umfassenden
Wächter los. Egwene al'Vere warf sich zu Elaidas Füßen auf die Stufen, die Hände ausgestreckt, während Tränen ihre. Wangen hinabliefen.
»Vergebt mir, Mutter!« weinte das Mädchen. »Ich bereue. Ich werde mich unterwerfen. Ich unterwerfe mich. Bitte, dämpft mich nicht!« Sie sank gebrochen zusammen, und ihre Schultern bebten vor Schluchzen. »Bitte, Mutter! Ich bereue! Ich bereue aufrichtig!«
»Der Amyrlin-Sitz kann Gnade walten lassen«, sagte Elaida triumphierend. Die Weiße Burg mußte sich von Lelaine und Romanda und Sheriam als warnendes Beispiel trennen, aber sie konnte die Stärke dieses Mädchens erhalten. Sie war die Weiße Burg. »Egwene al'Vere, Ihr habt Euch gegen Eure Amyrlin aufgelehnt, aber ich werde Gnade walten lassen. Ihr werdet erneut das Novizinnen-Weiß tragen, bis ich selbst Euch für wert erachte, weiter erhoben zu werden, aber Ihr werdet an eben jenem Tag die erste sein, die einen Vierten Eid auf die Eidesrute schworen wird. Ihr werdet dem Amyrlin-Sitz Treue und Gehorsam schwören.«
Die Gefangenen sanken nacheinander auf die Knie und baten, diesen Eid auch leisten zu dürfen, um ihre wahre Ergebenheit zu beweisen. Lelaine war eine der ersten und weder Romanda noch Sheriam die letzte. Egwene kroch die Stufen hinauf und küßte den Saum von Elaidas Gewand.
»ich unterwerfe, mich Eurem Willen Mutter«, murmelte sie mit tränenerstickter Stimme. »Danke. Oh, ich danke Euch!«
Alviarin ergriff Elaidas Schulter und schüttelte sie. »Wacht auf, törichte Frau!« grollte sie.
Elaida öffnete im trüben Licht einer einzigen, von Alviarin gehaltenen Lampe ruckartig die Augen. Alviarin beugte sich, eine Hand auf ihrer Schulter, über ihr Bett. Noch immer benommen, murmelte sie: »Was habt Ihr gesagt?«
»Ich sagte: ›Bitte wacht auf, Mutter‹«, erwiderte Alviarin gelassen. »Covarla Baldene ist aus Cairhien zurückgekehrt.«
Elaida schüttelte den Kopf, versuchte die letzten Reste des Traums abzuschütteln. »So bald? Ich hatte sie frühestens in einer Woche erwartet. Covarla, sagt Ihr? Wo ist Galina?« Törichte Fragen. Alviarin würde nicht wissen, was sie meinte.
Aber die Frau sagte in diesem gelassenen, kristallenen Tonfall: »Sie glaubt, Galina sei tot oder gefangengenommen worden. Ich fürchte, sie bringt keine ... guten Nachrichten.«
Elaida vergaß rasch, was Alviarin wissen oder nicht wissen sollte. »Erzählt«, forderte sie, während sie das Seidenlaken zurückwarf, aber während sie aufstand und ein Seidengewand über ihrem Nachthemd schloß, hörte sie nur Bruchstücke. Ein Kampf. Horden von Aielfrauen, welche die Macht lenkten. Al'Thor verschwunden. Katastrophe. Sie bemerkte verwirrt, daß Alviarin ordentlich mit einem weißen, mit Silberstickereien verzierten Gewand bekleidet war und die Stola der Behüterin der Chroniken um den Hals trug. Die Frau hatte sich erst angekleidet, bevor sie ihr diese Neuigkeiten überbrachte!
Die Uhr in ihrem Arbeitszimmer schlug leise die zweite Stunde, als sie den Wohnraum betrat. Die frühen Morgenstunden. Die schlechteste Zeit für unheilvolle Nachrichten. Covarla erhob sich hastig von einem der rot gepolsterten Lehnstühle, ihr unversöhnliches Gesicht vor Müdigkeit und Sorge eingefallen, und kniete sich hin, um Elaidas Ring zu küssen. Ihr dunkles Reitgewand war von der Reise noch staubbedeckt, und ihr helles Haar brauchte eine Bürste, aber sie hatte auch jetzt den Schal umgelegt, den sie schon trug, solange Elaida
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