Der Dorfpfarrer (German Edition)
sich, ohne gerade ein Menschenfeind zu werden, von der Welt zurück, die er »haßte, weil sie das Herz verletzt und den Geist einengt«; aber nur zu sehr blieb er in Interessenberührung mit ihr; doch auch diese vermochte seiner durchaus edlen Natur nichts anzuhaben. Würdiger, vornehmer als er, mitten in seinen Bedrängnissen, gegenüber den Verlegern und Zeitungsdirektionen war, konnte man nicht sein; so in seinem Verhältnisse zu Emile de Girardin, dessen Gemahlin, die ihm nahe befreundet war, er den feinsten Ablehnungsbrief schreibt, der wohl je der geachteten Gattin eines wenig geachteten Mannes geschrieben worden; so gegen Buloz, den er sich zum Feinde machte, und dessen einflußreiche »Revue des deux Mondes« er sich verschloß, weil er auf seinem Rechte bestand. »Einst wird man wissen,« sagt er zur Gräfin Hanska, die die Verleumdungen, welche ja nie ausbleiben, ernster nahm als er, »einst wird man wissen, daß, wenn ich von meiner Feder gelebt habe, nie zwei Centimes in meine Börse gekommen sind, die ich nicht hart und mühsam verdient habe; daß Lob und Tadel mir höchst gleichgültig gewesen, daß ich meine Werke mitten unter dem Haßgeschrei, dem literarischen Musketenfeuer aufgebaut habe und daß ich fester und unbeirrter Hand vorwärtsging.«
So ging der Mann auch an der höchsten und gesuchtesten Ehre, die einem Franzosen zuteil werden kann, an der Wahl in die Akademie, ruhig vorüber. Balzac hatte ein unglaubliches Selbstgefühl, er spricht von sich selber wie von Napoleon, glaubt an seinen Ruhm bei der Nachwelt so sicher wie an einen vorausberechneten Kometen, aber er ist, wie ohne Hochmut, so ohne alle Eitelkeit. Er wußte die Akademie zu ehren als ein Stück der großen französischen Tradition, aber nie opferte er seine Würde, um diese Auszeichnung zu erbetteln, wie er nie sein literarisches Gewissen opferte, um Geld zu erlangen. Wohl wußte er, daß seine zerrütteten Vermögensverhältnisse ihm den Weg in die Akademie versperrten, welche auch in dieser Hinsicht die französische Respektabilität vertritt. »Wenn ich«, schrieb er dem väterlichen Freunde, der seine Wahl betrieb, »wegen der achtungswertesten Armut nicht in die Akademie gelangen kann, so werde ich mich nie bewerben, wenn mir einst das Glück seine Gunst zuwenden wird.« Und daß es ihm seine Gunst zuwenden werde, daran zweifelt er nie; denn er hat eine unbegrenzte Zuversicht zu sich selbst: »Nie ist der Strom, der mich fortzieht, reißender gewesen,« schreibt er 1836 von seinem Bankerotte; »nie hat ein furchtbarer majestätisches Werk ein menschliches Gehirn in Bewegung gesetzt. Ich gehe und gehe zur Arbeit wie ein Spieler ans Spiel. Ich schlafe nur noch fünf Stunden; ich arbeite achtzehn, ich werde tot ankommen; aber Ihr Andenken erfrischt mich zuweilen. Ich kaufe die Grenadière (ein Landgut), zahle meine Schulden. Ich brauche noch so ziemlich ein Jahr, um zu einer vollständigen Liquidation zu gelangen; aber das Glück, nichts schuldig zu sein, das ich unmöglich glaubte, ist jetzt keine Chimäre mehr.«
Man hat Balzac aus diesem hohen Selbstgefühle ein Verbrechen gemacht; die Kritiker namentlich haben ihm nie verziehen, daß er sie verachtete; aber man muß nie vergessen, welcher Art die Kritik war, die damals das Mittelmäßigste in den Himmel hob und sich so unendlich überlegen glaubte, weil sie in dem großen Werke Balzacs die nur allzuleicht auffindbaren Fehler zu entdecken verstand. Wie groß der poetische Fond von Schöpfungen sein muß, die trotz so augenfälliger Mängel ihre Macht bewahrten, fiel ihnen nie ein. »Denke nicht soviel an die Kritiker,« schreibt er schon früh an seine Schwester; »das sind gute Vorzeichen; die Mittelmäßigkeit diskutiert man nicht«; und später an seine Geliebte, welche ihn auf eine, von ihm wie gewöhnlich ignorierte, hämische Rezension aufmerksam machte: »Sie wissen ja, wie gleichgültig ich für den Tadel wie das Lob der Leute bin, die nicht die Erwählten meines Herzens sind, namentlich aber für die Meinung des Journalismus und im allgemeinen dessen, was man das Publikum nennt.« Er hatte neben seiner naivunbändigen Ruhmsucht doch auch eine Art jungfräulicher Scheu vor der Publizität und vor allem einen Abscheu vor unrechten Mitteln, um zum Ruhm zu gelangen, die in dem damaligen Frankreich ganz einzig waren. Er wollte seinen Ruhm wirklich verdienen, nicht erschleichen: der innere, bleibende Wert seiner Werke sollte ihn ihm erobern, nicht die Kamaraderie und
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