Der Dorfpfarrer (German Edition)
Priester gefolgt von dem Klerus umgaben dann das Bett. Beim flackernden Glanze der Kerzen stimmten sie den furchtbaren Gesang des: De profundis an, dessen Töne der ganzen vor dem Schlosse knienden Bevölkerung, den Freunden, die in den Sälen beteten und allen Dienern anzeigten, daß die Mutter des Bezirks soeben gestorben war. Diese Hymne wurde von Seufzern und einhelligem Wehklagen begleitet. Die Beichte der großen Frau war nicht über die Schwelle des Salons hinausgegangen und hatte nur Freundesohren als Zuhörer gehabt. Als die Bauern der Umgebung, unter die von Montégnac gemischt, einer nach dem anderen mit einem grünen Zweige kamen, um ihrer Wohltäterin ein mit Gebeten und Tränen verbundenes Lebewohl zu sagen, sahen sie einen von Schmerz überwältigten Mann der Justiz, der die kalte Hand der Frau hielt, die er, ohne es zu wollen, so grausam, aber so gerecht geschlagen hatte.
Zwei Tage später geleiteten der Generalprokurator, Grossetête, der Erzbischof und der Bürgermeister, die Enden des schwarzen Tuches haltend, Madame Graslins Leichnam nach seiner letzten Wohnung. In tiefem Schweigen wurde sie in ihr Grab gesenkt. Es wurde nicht ein Wort gesprochen, niemand fand die Kraft zu reden, alle Augen standen in Tränen. »Sie ist eine Heilige,« das sagten alle, als sie auf den im Bezirk, den sie bereichert hatte, angelegten Wegen fortgingen, das sagten alle zu ihren ländlichen Schöpfungen, wie um sie zu beseelen. Niemand fand es seltsam, daß Madame Graslin bei Jean-François Tascherons Körper beerdigt wurde; sie hatte nicht darum gebeten, doch die alte Mutter hatte in einem Rest zärtlichen Mitleides dem Sakristan befohlen, die zusammenzulegen, welche die Erde so heftig getrennt hatte, und die eine nämliche Reue im Fegefeuer vereinigte.
Madame Graslins Testament verwirklichte alles, was man von ihm erwartete. Sie errichtete Freistellen im Limoger Collège und Freibetten im Hospital, die nur für Arbeiter bestimmt waren; sie wies eine beträchtliche Summe – dreimalhunderttausend Franken in sechs Jahren – für die Erwerbung des les Tascherons genannten Teiles des Dorfes an, wo sie ein Hospital einzurichten befahl. Dies Hospital war für arme alte Leute des Bezirks, für seine Kranken, für im Augenblick ihrer Entbindung mittellose Frauen und für Findelkinder bestimmt und sollte Hospital der Tascheron heißen. Véronique wünschte, daß es von grauen Schwestern besorgt würde, und wies viertausend Franken Gehalt für den Arzt und für den Chirurgen an. Madame Graslin bat Roubaud, erster Hospitalarzt zu sein, beauftragte ihn, den Chirurgen zu wählen und, verbunden mit Gérard, welcher der Architekt sein sollte, in sanitärer Beziehung den Bau zu überwachen. Außerdem gab sie der Gemeinde Montégnac eine Wiesenbreite, die hinreichte, um die Steuern davon zu bezahlen. Die Kirche, die mit einem Hilfsfonds dotiert wurde, dessen Verwendung für bestimmte Ausnahmefälle bestimmt wurde, sollte die jungen Leute überwachen und den Fall suchen, wo ein Montégnacer Kind Begabung für Kunst, für Wissenschaft oder Industrie zeigen würde. Die kluge Wohltätigkeit der Erblasserin zeigte die Summe an, die diesem Fonds für Ermutigungen entnommen werden sollte.
Die Nachricht von dem Tode, der allerwärts als ein Unglück aufgefaßt wurde, war von keinem, das Gedächtnis dieser Frau beleidigenden Gerücht begleitet. Diese Verschwiegenheit war eine so vielen Tugenden dargebrachte Huldigung einer katholischen und arbeitsamen Bevölkerung, die in diesem Winkel Frankreichs die Wunder der »erbaulichen Briefe« wiederaufleben läßt.
Gérard war zu Francis Graslins Vormund ernannt worden und durch das Testament verpflichtet, das Schloß zu bewohnen. Er tat es. Denise Tascheron, in der Francis etwas wie eine zweite Mutter fand, aber heiratete er erst drei Monate nach Véroniques Tode.
Paris, Januar 1837 – März 1845
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