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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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einmal bedeuten, dass er seinen Auftrag hinausschob, sondern war vielmehr eine Erweiterung seines Dienstes. Allerdings würde er sich beeilen müssen, der Abend rückte rasch näher. Simon konnte bereits hören, wie sich die Grillen mühsam auf eine der letzten Vorstellungen des schwindenden Jahres einstimmten und die Ochsenfrösche mit ihrem unterdrückten, dumpf dröhnenden Kontrapunkt einsetzten.
    Der Junge stieg in das mit Seerosen bedeckte Wasser, hielt kurz lauschend inne und sah zu, wie sich der östliche Himmel zu mattem Violett verdunkelte. Neben Doktor Morgenes’ Wohnung war der Burggraben sein liebster Ort in der ganzen Schöpfung … jedenfalls von dem, was er bisher davon gesehen hatte. Mit einem unbewussten Seufzer zog er den formlosen Stoffhut vom Kopf und watete an die Stelle, wo Teichgras und Hyazinthen am dichtesten standen.Als Simon endlich am Mittleren Zwinger ankam, war die Sonne bereits untergegangen, und der Wind pfiff durch die Katzenschwänze, die um den Burggraben herum wuchsen. Mit triefenden Kleidern, in jeder Tasche einen Frosch, stand der Junge vor Morgenes’ Tür. Er klopfte an die dicke Täfelung und achtete dabei sorgfältig darauf, das fremdartige Symbol nicht zu berühren, das mit Kreide auf das Holz gemalt war. Einige schmerzhafte Erfahrungen hatten ihn gelehrt, nichts, was dem Doktor gehörte, ungefragt anzufassen. Eine kleine Weile verging, bevor Morgenes’ Stimme sich hören ließ.
    »Geht weg«, sagte sie in ärgerlichem Ton.
    »Ich bin es … Simon!«, rief der Junge und klopfte nochmals. Diesmal gab es eine längere Pause, gefolgt vom Geräusch schneller Schritte. Die Tür schwang auf, und Morgenes, dessen Kopf kaum bis an Simons Kinn reichte, stand vor ihm. Sein Gesicht lag im Dunkeln, hinter ihm schimmerte die blaue Flurbeleuchtung; einen langen Moment schien er starr vor sich hinzuglotzen.
    »Was?«, fragte er endlich. »Wer?«
    Simon lachte. »Na, ich natürlich. Möchtet Ihr ein paar Frösche?« Er zog einen der Gefangenen aus seinem Verlies und hielt ihn an einem glibbrigen Bein in die Höhe.
    »Oh, oh!« Der Doktor schien wie aus tiefem Schlaf zu erwachen. Er schüttelte den Kopf. »Simon … aber natürlich! Komm herein, Junge! Du musst mich entschuldigen – ich bin ein wenig zerstreut.« Er öffnete die Tür so weit, dass Simon an ihm vorbei in den schmalen Innengang schlüpfen konnte, und schloss sie dann wieder.
    »Frösche, wie? Hmmm, Frösche …« Morgenes stakste den Korridor hinunter. Im Glühen der blauen Lampen, die den Gang säumten, schien die dürre Gestalt des Doktors wie ein Affe zu hüpfen, anstatt zu gehen. Simon, dessen Schultern die kalten Wände zu beiden Seiten fast berührten, folgte. Er hatte noch nie verstehen können, wie Räumlichkeiten, die von außen so klein wirkten wie die des Doktors – und er hatte von den Mauern des Zwingers auf sie hinabgeschaut und war im Hof ihre Ausdehnung abgegangen –, wie so eine kleine Wohnung derart lange Korridore haben konnte.
    Simons Grübelei wurde von einem plötzlichen Höllenlärmunterbrochen: Pfiffe, Knallen und etwas, das wie das hungrige Gebell von hundert Hunden klang.
    Morgenes machte einen überraschten Satz und sagte: »O Name eines Namens, ich habe vergessen, die Kerzen zu löschen. Warte hier.« Mit flatternden weißen Haarsträhnen rannte der kleine Mann den Gang hinunter, öffnete die Tür am Ende einen winzigen Spalt – das Heulen und Pfeifen schwoll an – und huschte schnell hinein. Simon vernahm einen erstickten Ausruf.
    Jäh verstummte der entsetzliche Lärm – so schnell und vollständig, als ob … als ob man eine Kerze auslöscht, dachte Simon.
    Der Doktor streckte den Kopf heraus, lächelte und winkte den Jungen herein.
    Simon, der schon früher Szenen dieser Art erlebt hatte, folgte dem alten Mann vorsichtig in sein Studierzimmer. Ein hastiges Eintreten konnte – und das war noch das Wenigste – bedeuten, dass man auf irgendetwas Sonderbares trat, dessen Bekanntschaft man nicht unbedingt machen wollte.
    Von den Urhebern des grässlichen Geheuls war keine Spur mehr zu erkennen. Wieder staunte Simon über den Unterschied zwischen dem, was Morgenes’ Wohnung zu sein schien – eine umgebaute Wachkaserne von vielleicht zwanzig Schritt Länge, die sich unauffällig an die efeuüberwucherte Mauer der Nordostecke des Mittleren Zwingers schmiegte –, und ihrem Anblick von innen, der ein weitläufiges Zimmer offenbarte, das zwar eine niedrige Decke hatte, aber beinahe so lang wie

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