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Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. F. Dam
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wo ich es nicht wage, die Richtung zum Goldenen Hirschen einzuschlagen, weshalb ich den Fahrweg ein paar Meter in die entgegengesetzte Richtung laufe.
    Die beiden Männer sprechen nicht. Sie können aber nicht weit entfernt sein. Ich höre ihr Schnauben. Meine Eingeweide knoten sich zusammen wie ein Bündel Wäsche. Ich sehe Christian vor mir, bin aber außerstande, über ihn näher nachzudenken. Ich weiß nicht, warum Maettgen Bewacher braucht, die bewaffnet sind. Ich sperre meine Augen auf, lichtquantengierig, und meine Ohren kundschaften die Dunkelheit aus.
    Jetzt Schritte, Stampede. Jemand rennt, stolpert und presst ein langes SSSCH zwischen den Zähnen hindurch. Dumpf schlägt der Mann ein paar Meter vor mir auf dem mit Wurzeln überwachsenen Waldweg auf. Jetzt haben sie gemerkt, wie es geht, dass hier nämlich ein Fahrweg im Wald hinter dem Haus vorbeiläuft. Sie kennen die Gegend nicht. Das ist mein Vorteil. Ich habe meine Karte genau studiert. Deshalb denke ich, dass meine Flucht nur hinauf durch den Wald gelingen kann, nicht über den Weg oder über die Wiese in meinem Rücken. Jetzt kommt die Taschenlampe. Man verrät sich. Doch um ein Haar streift der Lampenstrahl des sich aufrichtenden, angeschlagenen Tieres mein Bein.
    Der Mann schleicht gebückt an mir vorbei, bis er nach einer Wegbiegung – dabei immer wieder die Lampe benutzend – meinem Hörbereich entschwindet. Nur noch kleine Feuerblitze zucken. Ich mache einen zögerlichen Schritt nach vorne und prüfe die Geräusche, die ich verursachen werde. Am Boden abseits des Pfades gibt es bloß Blaubeersträucher, ein paar Steine und dazwischen Massen von Fichtennadeln. Alles ist weich und wird meine Schritte schlucken. In der Dunkelheit steige ich etwa fünfzehn Meter höher. Das geht gut, meine Augen sind an die Nacht gewöhnt. Doch dann bleibe ich an einem Blaubeerstrauch hängen. Ich falle hin. Rutschen, Steinerollen, beinahe Lärm. Und da sind auch schon die Schritte eines der Männer zu hören. Ich stehe auf und verschmelze mit der Rückseite der nächsten Fichte. Ein Lichtkegel schnüffelt durch den Blaubeerhang. Auch der andere Mann ist inzwischen herbeigerannt. Er scheint keine Taschenlampe zu besitzen. Eine Weile stehe ich steif vor Schrecken da. Dann knicke ich meinen Körper ganz langsam ein, lese einen Stein auf und werfe ihn weit den Hang hinüber. Sofort zuckt der Lichtstrahl dorthin, vermutet mich, vermutet ein Tier. Und meine Position ist schon vergessen. Die Männer werden mit ihrer Taschenlampe niemals die Stelle wiederfinden, die sie zuvor beleuchtet haben. Sie gehen jetzt in Richtung des Steingeräusches. Ich fühle mich sicherer, muss nur noch zuwarten. Flüsterstimmen. Handlungsalternativen werden erwogen. Und Sekunden später wird mir die daraus entsprungene Entscheidung vorgeführt. Die Lampe vor sich schweifen lassend läuft ein Mann den Hügel hoch, in meine ungefähre Richtung, während der andere unten Stellung bezieht. Ich glaube schon, es ist um mich geschehen. Doch der Mann stampft an mir vorbei, immer weiter, immer höher. Offensichtlich hat man kein Gefühl für genaue Entfernungen in dieser Stille und Dunkelheit. Das ist meine nächste Chance. Ich renne los, will hinüber zum Fahrweg, der dort ein Stück den Hügel hinaufläuft. Ich sprinte die Hügelflanke entlang, in Richtung meines Landhotels. Ich weiß, wie man beim Rennen seine Knöchel steif hält, um nicht so leicht umzuknicken. Ich kann die Rufe der beiden hören, die ebenfalls laufen. Sie mögen dreißig Meter hinter mir sein, Abstand sich vergrößernd. Der Lichtkegel springt ständig durch den Wald. Und ich laufe nicht weiter in die vorgegebene Richtung, sondern hinaus auf die Wiese. Das werden sie am wenigsten erwarten. Ich verstecke mich im dichten Unterholz des Waldrands, nachdem ich auf Knien und Ellbogen wieder etwa dreißig Meter auf die Maettgen’sche Villa zugekrochen bin. Oberhalb von mir höre ich Schritte, Schreie, Fluchen. Einer rennt noch.
    Ich kauere im Gras und friere auf dem kalten, nachtfeuchten Boden. Mit Eisfingern kriecht die Kälte durch meine Jeans, bis ich zu zittern beginne. Die Nacht ist sternenklar und die Temperatur nähert sich bereits dem Nullpunkt. Vor mir auf der Wiese färben sich die Halme langsam weiß mit Rauhreif. Eine Viertelstunde sitze ich so in der Dunkelheit und wage

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