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Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. F. Dam
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Beleidigung. Wir streiten über alles, das wir anfassen. Christian ist laut, er erzählt von seinen Reisen in Indien, von den Bibliotheken bekannter Pandits, er macht seine Augen klein und bläst sich auf, und Maggie und ich fallen über ihn her. Christian Fust, die Inkarnation des europäischen Genius, liegt zerfetzt am Boden. Am Ende steht er auf, streckt seine lange Gestalt und setzt sich allein an die Bar.
    Irgendwo in diesem langen Abend ist die Lösung von Maggies Rätsel verborgen. Ich nehme mir vor, eine möglichst genaue Liste aller Gesprächsthemen aufzustellen und so meine Erinnerung Stück für Stück zusammenzufügen.
    Lange danach, an dem Abend mit dem Zitronensoßenlamm, macht Maggie mich zum einzigen Mal richtig an. Sie steht auf, schon ein wenig im Kampf mit der Gravitation und ihrer exakten Ausrichtung auf den Erdmittelpunkt hin, und zieht sich einfach vor mir aus. Ein schiefes, verschmitztes Lächeln im Gesicht, als wären wir Kinder und die Eltern in der Oper. Ich habe mich Maggie nicht entziehen wollen, ich liebte sie ja. Sie ist der beste Freund gewesen, den ich je gehabt habe. Sie zieht mich also, inzwischen ganz nackt, nur noch eine Perlenkette um den Hals, knochig wie sie war, nicht schön, aber sehr hübsch anzusehen (vornehm fließend in allen ihren Bewegungen), an der Hand in ihr Schlafzimmer und sagt: »Ich liebe dich, Prinz, nicht wie du fürchtest, aber ich bin deiner Seele nahe, und ich brauche dich heute Nacht. I need a reasonable guy, completely fucking reasonable .« Da habe ich mich meiner Freundschaft erinnert, des Eids, den man ja irgendwann bei sich geschworen hat. Und auf ihre Weise wird es die einzigartigste Nacht meines Lebens. Sex ohne Anziehung; ein naturwissenschaftlicher, heiliger Akt.
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    Späte Abenddämmerung. Nirvanas Bass in Come as You Are dröhnt durch meinen Wagen, als ich bei unserem Haus in den Hügeln vor Wien anlange.
    Wie immer ist vorne alles hell erleuchtet. Strahlende Einsamkeit. Ich schleiche am Haus vorbei, eine dumme Maßnahme vielleicht, aber ich will ganz sichergehen, schalte meine Scheinwerfer aus und biege nach rechts in einen kleinen Fahrweg. Linker Hand befindet sich eine Gruppe von Kirschbäumen. Wie Gerippe stehen sie im Halbmondlicht. Ich stelle den Wagen an einer großen Buche ab. Durch eine einfache, stets offene Zauntür betrete ich den großen Garten. In ihm habe ich meine Kindheit verbracht. Der noch nicht vorhandene Duft der Winterligusterbüsche, der Eibenhecken, einiger Rhododendren, der Schilfgräser und Pfirsichblüten, des gemähten Grases, der Vergissmeinnichtecken und Krüppelkiefern zieht in meine Nase. Ich sehe mich weinend in Brennnesseln liegen und meine Mutter Helene an einem Sommerabend auf der großen Schaukel Sekt Orange trinken. Sie trank immer bloß Sekt Orange und es hat ihr am Ende nicht geholfen.
    Ich drücke mich an den beiden Gartenlaternen vorbei und gehe auf das Haus zu. Ein Schatten löst sich von der Platane, die meine Mutter hier vor neununddreißig Jahren gepflanzt hat, anlässlich der Geburt meiner Schwester Sarah, die zwei Jahre älter ist als ich. Der Schatten zögert.
    Â»Was machst du hier?«, frage ich.
    Â»Frage zurück«, sagt der Schatten und geht mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. »Man kriegt Schrullen, wenn man in ein gewisses Alter kommt. Laue Abende verbringe ich jetzt oft auf der Bank unter diesem Baum. Es war ihr Lieblingsplatz. Vor dem Osteosarkom haben wir auch oft hier gesessen.«

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    MEINEN HANG ZUR SELBSTKASTEIUNG befriedige ich mit Klettertouren in den Hohen Tauern oder in den Dolomiten. Er liegt auch meiner Verwendung der Internetsperre Macfreedom zugrunde, die dich niemals, sofern du sie eingestellt hast, ins Netz lässt, und solltest du ihr mit Selbstmord oder Schlimmerem drohen, sowie einem guten Teil meiner Lektüre. Ich lese eine Menge Zeug von Milton Friedman, von Nietzsche, Adam Smith oder Schumpeter. Und manchmal kommt noch das Wallstreet Journal im Netz dazu.
    Es ist gut, seine Feinde zu kennen. Denn ich glaube an die Gewissenlosigkeit unserer Kultur, und ich glaube an die große Geldverschwörung. Es gibt da eine monetäre Religion, mit zahllosen Priestern, vielen Bischöfen und drei oder vier Päpsten.
    An diesem Abend vor den Toren Wiens habe ich nun beides. Einen von ein paar geringfügigen Zweifeln geplagten Priester dieser Geldreligion,

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