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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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des Jünglings und des Mannes, aus deren Schoß die Larve hervorgekrochen war. Dann kam es ihm momentan vor, als werde ihm das unwiederbringlich Verlorene in destilliertem, reinem, korrosionsgeschütztem, gegen Sehnsucht und Schmerz gefeitem Aggregatzustand zurückgegeben. Wie im Vakuum einer Glasblase wurde ihm einen Augenblick lang auch Jaels Liebe wieder zuteil – mit einer Berührung ihrer Lippen und Zunge hinter seinem Ohr und dem gewisperten »faß mich da an, da«.
    Als Fima dann im Bad entdeckte, daß sein Rasierschaum aufgebraucht war, stand er ein Weilchen unentschlossen herum, bis ihm der Geistesblitz kam, es mit einer dicken Schicht gewöhnlicher Handseife zu versuchen. Nur verströmte dieses Stück anstelle von normalem Seifengeruch den säuerlichen Hauch einer Achselhöhle an einem heißen Tag. Er schabte sich mit der Rasierklinge über die Wangen, bis sie rot wurden, vergaß aber die Bartstoppeln unterm Kinn. Danach duschte er warm, beendete die Prozedur beherzt mit drei Sekunden kaltem Guß und fühlte sich nun einen Moment frisch und energiegeladen, bereit, ein neues Lebenskapitel anzufangen, bis das von gestern, vorgestern und vorvorgestern feuchte Handtuch ihn wieder mit dem eigenen Nachtdunst umhüllte – als sei er gezwungen, ein angeschmuddeltes Hemd wiederanzuziehen.
    Vom Bad begab er sich in die Küche, stellte Kaffeewasser auf, spülte eine der schmutzigen Henkeltassen im Ausguß, gab zwei Süßstofftabletten nebst zwei Teelöffeln Pulverkaffee hinein und ging sein Bett machen. Der Kampf mit der Tagesdecke zog sich drei, vier Minuten hin, und als er in die Küche zurückkehrte, merkte er, daß er den Kühlschrank über Nacht aufgelassen hatte. Er holte Margarine, Marmelade und ein gestern angefangenes Joghurt heraus, wobei offenbar wurde, daß ein dummes Insekt sich ausgerechnet diesen offenen Joghurtbecher zum Ort seines Freitods erkoren hatte. Mittels eines Teelöffels versuchte Fima den Leichnam herauszufischen, versenkte ihn dabei aber nur um so tiefer. So warf er den Becher in den Müll und begnügte sich im übrigen mit schwarzem Kaffee, da er, ohne nachzuprüfen, annahm, die Milch sei im offenen Kühlschrank gewiß auch sauer geworden. Er hatte vor, das Radio anzuschalten, um Nachrichten zu hören: Gestern hatte die Regierung bis in die Nacht hinein getagt. War eine Kommandotruppe auf Generalstabsbefehl in Damaskus abgesprungen und hatte Hafez Assad gefangengenommen? Oder wollte, umgekehrt, Arafat einreisen, um vor der Knesset in Jerusalem zu sprechen? Fima meinte eher, es würde wohl allerhöchstens von einer Abwertung des Schekels oder irgendeiner Korruptionsaffäre die Rede sein. In Gedanken sah er sich seine Minister zu einer mitternächtlichen Kabinettssitzung einberufen. Alter Rebellengeist aus Jugendbewegungstagen veranlaßte ihn, diese Sitzung ausgerechnet in einer verwahrlosten Volksschule im Stadtteil Katamon anzusetzen – auf abblätternden Bänken vor der mit Rechenaufgaben vollgekritzelten Tafel. Er selber würde sich in Arbeiterjacke und verschossenen Hosen nicht ans Lehrerpult, sondern auf die Fensterbank setzen. Würde erbarmungslos ein Bild der aktuellen Wirklichkeit abrollen lassen. Die Minister durch die Schilderung des drohenden Unheils konsternieren. Gegen Morgen würde er den Mehrheitsbeschluß herbeiführen, im ersten Stadium, sogar ohne jedes Abkommen, sämtliche Truppen aus dem Gazastreifen abzuziehen. Sollten sie von dort unsere Ortschaften beschießen, werde ich sie von der Luft aus bombardieren. Aber wenn sie Ruhe halten, ihre Friedensbereitschaft unter Beweis stellen, warten wir ein bis zwei Jahre ab und verhandeln dann mit ihnen über die Zukunft von Nablus und Hebron.
    Nach dem Kaffee schlüpfte er in den fadenscheinigen braunen Zottelbärpullover, den Jael ihm überlassen hatte, blickte auf die Uhr und sah, daß er die Siebenuhrnachrichten verpaßt hatte. Deshalb ging er den Ha’arez heraufholen, vergaß aber den Briefkastenschlüssel mitzunehmen, so daß er die Zeitung aus dem Schlitz zerren mußte und dabei die Titelseite zerriß. Auf der Treppe blieb er stehen, um die Überschriften zu lesen, ging weiter, stoppte erneut und gelangte zu der Überzeugung, dieser Staat sei einem Trupp Geistesgestörter in die Hände gefallen. Immer und ewig diktieren Hitler und der Holocaust ihr gesamtes Reden und Tun, wieder und wieder drängt es sie, jede Friedenschance auszulassen oder zunichte zu machen, weil ihnen der Frieden als Nazi-Finte erscheint, allein auf

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