Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
Bestimmung. Meine Güte, sie konnte noch nicht einmal nach Eichenblattstadt fahren, ohne von diesen dämlichen Zwergen gejagt zu werden. Hätte Aschgrau sich nicht um die drei Bärtigen gekümmert und sie zu meinen Kreaturen gemacht, wäre sie schon lange tot. Ich habe die drei entseelten Zwerge nur hinter ihr hergeschickt, damit sie nicht noch mehr Unsinn anstellen konnte. Doch jetzt ist es zu spät. Sie bleibt hier, bis ich es satt habe, eurem Gejammer weiter zuzuhören. Wenn es dann so weit ist, werdet ihr beide eurem vorlauten Gefährten über den Balkon folgen.«
Um deutlich zu machen, dass das Gespräch beendet war, drehte sich Othman um und wandte sich Aschgrau zu, der seit einiger Zeit an einer Apparatur herumfummelte, die aussah wie ein Schnapsbrennkessel der Zwerge. Nur war diese Gerätschaft hier aus dunklem Holz mit bronzenen Passringen und Ausläufen, die die einzelnen Röhren mit den drei Kesseln verbanden. Die ganze Apparatur glänzte dunkel, als wenn das Holz mit Ruß und Wachs behandelt wurde. Aschgraus Finger schlossen sich um jeden einzelnen Dichtungsring und überprüften den richtigen Sitz.
»Es scheint alles in Ordnung zu sein, Meister«, verkündete der Tunnelgnom, als er bemerkte, dass Othman ihn ungeduldig beobachtete.
»Dann überprüfe es noch einmal, bis der Schein der Gewissheit gewichen ist, du Nichtsnutz«, fuhr der Magier seinen Gehilfen an.
Aschgrau machte sich sogleich grummelnd ans Werk. Othman trat währenddessen hinaus auf den Balkon und besah sich den Stand der Sonne.
Milo und Rubinia hatten sich in die hintere Ecke des Käfigs zurückgezogen und hockten mit angezogenen Beinen auf dem Boden.
»Hast du dieses Ding schon mal gesehen?«, fragte Milo seine Tante. »Oder kannst du dir vorstellen, was er damit vorhat?«
Rubinia schüttelte verängstigt den Kopf. »Ich habe mich nie sonderlich für seine Experimente interessiert. Ich dachte, er ist nurein alter Mann, der sich mit ein paar magischen Spielereien die Zeit vertreibt.«
»Wenn es nur so wäre«, flüsterte Milo.
Ihm fiel auf, dass seine Tante das erste Mal, seit sie im Krähenturm ihren Dienst angetreten hatte, nicht von Meister Othman als Person, sondern nur von »ihm« sprach.
Aschgrau sprang auf, wischte sich seine schwarz gefärbten Hände an seinem schäbigen Kapuzenumhang ab und eilte zum Balkon. »Es ist alles dicht, Meister. Ich bin mir jetzt sicher.«
Othman blieb einen Augenblick stehen, ohne auf Aschgraus offensichtliche Einladung zu reagieren. Dann drehte er sich plötzlich ruckartig um. »Lass uns keine Zeit verlieren. Ein ganzes Land wartet darauf, sich mir zu Füßen zu legen.«
Aschgrau eilte zwei Schritte voraus zu der Apparatur, bis er sein Fehlverhalten einsah und unterwürfig mit gesenktem Haupt den Rückzug antrat und hinter dem weiten Umhang seines Meisters verschwand. Othman stolzierte voraus, und er genoss sichtlich jeden einzelnen Schritt. Dann blieb er stehen, und Aschgrau flitzte gebückt an ihm vorbei und positionierte sich neben dem Apparat. Othman wandte sich ein weiteres Mal an Milo und seine Tante: »Ihr zwei werdet jetzt Zeuge davon werden, welche Macht in einem Magier steckt, wenn er arkane Magie und Glauben miteinander verknüpft.«
»Das Zeitalter der Verblendung war voll von Nekromanten, die dachten, die Welt beherrschen und sich jeden zum Untertan machen zu können. Keinem von ihnen war eine glückliche Zukunft bestimmt«, fauchte Rubinia den Magier an.
»Nekromanten waren Magier, denen die Angst vor dem Tod den Verstand geraubt hat. Ich vereine die Künste von Magiern und Priestern in einer Person. Ich fürchte den Tod nicht. Er kann mir nichts mehr anhaben, denn ein Gott ist mein Sklave.« Othman fuhr hastig herum und wies Aschgrau an, die Apparatur in Gang zu setzen. Der Gnom drehte an einem der bronzenen Hähne und eilte zurück zu seinem Meister.
»Jetzt kannst du meinen Stab auf den Balkon bringen«, sagte der Magier. »Aber pass auf, dass er diesmal gerade steht.«
Aschgrau hastete zu einem schmalen, sechs Fuß hohen Schrank, der sich fast hinter einem der Bücherregale versteckte. Er öffnete die Tür und holte Othmans Magierstab hervor. Der Tunnelgnom trug die Insignie der Magier vor sich her, als sei sie eine heilige Reliquie. Er brachte den Stab auf den Balkon, steckte das Ende dort in eine metallene Einfassung im Boden und richtete ihn senkrecht aus. Das Ende des Magierstabes sah aus wie eine geöffnete Hand, die versuchte, etwas zu stützen. Als Aschgrau sich
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