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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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wilden Vögel sich bis heute nicht an den Anblick Anes gewöhnt hatten, obwohl sie hier im Haus lebte und immer schon hier gelebt hatte. Die Vögel misstrauten Ane. Es war, als spürten sie, dass Ane als Kind, also vor gar nicht so langer Zeit, jeden Vogel zu fangen versucht hatte, der auf dem Boden herumlief. Ili war nicht bekannt, dass Ane jemals Erfolg gehabt hätte, aber sie fragte sich manchmal, was Ane mit einem gefangenen Vogel getan hätte.
    »Möchtest du dich zu mir setzen?«, bot Ili ihrer jungen Verwandten an, obwohl sie wusste, dass Ane es ablehnen würde. Ili saß nach samoanischer Art auf einer Matte auf dem Boden, im Schatten der Papayabäume, und Ane war nicht der Typ von Frau, der sich auf den Boden setzte. Man musste sie sich nur ansehen: die langen Haare seidig schwarz, klimpernde Armreifen, die Hände elegant in die Taschen knapper Shorts gesteckt, und die dunkel lackierten Fußnägel lugten aus Sandalen, die der goldene Schriftzug eines italienischen Modehauses zierte. In einer Papayaplantage wirkte die Zweiundzwanzigjährige so fremd wie auf dem Mond.
    »Nein, danke«, lehnte Ane ab. »Ich muss die Fähre kriegen. Ich bin nur gekommen, um dich zu fragen, ob ich dir etwas aus Apia mitbringen soll.«
    Ili warf Ane einen kurzen Blick zu und verstand sofort. »Also schön, was willst du?«, fragte sie.
    »Was ich will? Ich bin gekommen, um zu fragen, was du willst.«
    »Du hast mich nie gefragt, was ich will, Ane.« Ili konnte den leichten Vorwurf in ihrer Stimme nicht verbergen. Sie seufzte: »Raus damit. Was soll ich für dich tun?«

    Ane kapitulierte schnell. Sie hätte es bestimmt lieber gehabt, nicht durchschaut zu werden, andererseits blieben ihr nun komplizierte rhetorische Überleitungen erspart.
    »Ich könnte in Apia dein Gästezimmer anbieten.«
    »Es ist keine Saison, jetzt, wo die Regenzeit beginnt.«
    »Ich hätte da schon einen Interessenten.«
    Ein fast unmerkliches Lächeln umspielte Ilis alten Mund. Ane war durchschaubar wie das Wasser um Samoas Küsten. »Einen Mann natürlich.«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Der letzte Mann, den du mir als Gast vermittelt hast, verlief sich nachts im Haus und kroch in mein Bett – was sicherlich für ihn ein noch größerer Schreck war als für mich.«
    »Er hat sein Zimmer nicht gefunden, das kann jedem passieren.«
    »Er hat dein Zimmer nicht gefunden, Ane. Bitte, ich bin eine alte Frau, aber ich bin nicht dumm.«
    Ane schwieg.
    »Ist dein neuer Wunschgast auch derjenige, der dir in letzter Zeit die teuren Geschenke macht und den gemieteten Jeep bezahlt?«
    Ane schwieg weiter und malte mit ihrer Sandale sinnlose Muster in den Sand.
    Ili hielt es für besser, es dabei bewenden zu lassen. Ane war nicht ihr Kind, nicht ihre Enkelin, sondern die Enkelin ihrer Cousine. Es gab eine Zeit, da sie versucht hatte, sich um das Mädchen zu kümmern, vielleicht sogar mehr um ihrer selbst willen als wegen Ane. Da war ein junges Geschöpf gewesen, das jemanden brauchte, und ihre Brust quoll zu dieser Zeit über von Liebe und Fürsorge, die sie niemandem sonst schenken konnte. Aber Moana, instinktsicher darin, sie dort zu treffen, wo es wehtat, hatte ihr eines Nachts eine Warnung an die Tür geheftet und darin
jede Einmischung verboten. »Du hast meine Familie zerstört, Ili Valaisi. Ich schwöre dir, der Tag, an dem du dich in das Leben meiner einzigen Enkelin einmischst, wird dein letzter sein.«
    Ili fragte sich manchmal, wie viel Moana eigentlich von ihrer Enkelin wusste. Gar nicht sosehr von dem Leben, das sie führte – obwohl auch das kapriziös genug war –, sondern von dem, was in Ane vorging. Von ihrer Seele.
    »Also, was sage ich nun dem Interessenten?«, wollte Ane kleinlaut wissen. »Mir liegt etwas an ihm.«
    »Nichts gegen deine Bekanntschaften, Ane. Aber mir wäre das momentan zu viel Aufwand. Warum fragst du nicht deine Großmutter? Sie hat genug Platz.«
    Der Vorschlag war lächerlich, das wusste auch Ili.
    Sie lehnte die dargebotene Hand dankend ab und rappelte sich allein hoch. Sie war nicht mehr so schlank wie in ihrer Jugend, und es gab viele Bewegungen und Tätigkeiten, die sie nicht mehr ohne weiteres ausführen konnte, aber sie wollte sich auf keinen Fall davon bezwingen lassen. Ihre glatten, vollen Wangen und ihr noch immer aufrechter Gang ließen ihr wahres Alter nicht vermuten, und ihre schwarzen Augen hatten die Fähigkeit nicht verloren, sowohl scharfsichtig als auch rebellisch oder neugierig blicken zu können. Fremde,

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