Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
aber genau, wo du bist.« Sie lächelte gegen ihren Willen. »Oder hast du diesen Busch hier von Mr. Arthur zugewiesen bekommen, damit du dich nicht von der Stelle rührst?«
»Von Mr. Arthur Ho höchstpersönlich, dem obersten Buschverwalter«, bestätigte er. »Wie er das allerdings mit dem Auspeitschen gestalten will, falls ich mich doch rühre, ist mir ein Rätsel. Im Gegensatz zu meinen Mitgefangenen stellen sich die Büsche nämlich vor mich.«
Sie schwiegen, während die Dämmerung über Sydney glitt. Mit leisen Schwingen kam sie heran, bettete die bunten Vögel zur Ruhe und hielt das Blätterrauschen der Eukalyptusbäumean, für kurze Zeit nur, bis die Menschen eingeschlafen waren. Nichts sonst veränderte sich. Liam saß in seinem Busch, Penelope stand davor, nur die scharfen, ledrigen Bätter trennten sie. Sie wusste, dass es besser wäre, ins Haus zu gehen. Doch sie blieb.
Und Liam gab nicht auf. Vorsichtig bog er die Zweige auseinander, um sie besser anschauen zu können. »Haben sie dir das Kind weggenommen?«, fragte er. »Ich hörte, sie stecken die Kinder der Sträflingsfrauen ins Waisenhaus.«
Penelope schüttelte den Kopf.
»Nicht?« Seine Stimme klang so erfreut, wie sie das nie erwartet hätte. »Ist es dann hier im Haus? Kann ich es mal sehen?«
Sie wandte sich ab, bevor er die Tränen in ihren Augen entdeckte. Plötzlich sprang er aus dem Busch, packte ihren Arm und drehte sie zu sich um. »Lauf nicht weg. Kann ich es sehen, Penny?«
»Es ist tot«, entfuhr es ihr. Mit diesem Satz, zum ersten Mal ausgesprochen, starb Lily einen endgültigen Tod.
»Ach, Penny.« Er versuchte etwas ungeschickt, sie in die Arme zu nehmen, sie wehrte sich. »Penny, sei nicht traurig. Ich kann dir ein neues machen.«
»Geh.«
Er hatte Macht über sie. Es zog sie immer wieder in den Stall. Sie redete sich ein, täglich nach Eiern suchen, nach dem Kälbchen schauen zu müssen. Anzündeholz besorgen – es gab genug Gründe, in den Stall zu gehen. Sie schämte sich dafür, sobald sie das Haus verließ, doch Umdrehen war schwerer als Weitergehen. Mr. Arthur trat ihr zudem neuerdings an den ungewöhnlichsten Orten in den Weg, um den Wäschekorb zu tragen, ihr die Tür aufzuhalten oder ihr einen schönen Tag zu wünschen. Seine neueRolle als Landbesitzer in spe hatte ihn in einen besitzergreifenden Haustyrannen verwandelt, über den sich selbst seine Schwester bisweilen beschwerte.
»Der hat sich doch gerade ein Weibchen gesichert«, meinte Liam, als Penelope ihm bei einem heimlichen Treffen im Hühnerstall davon berichtete. Er runzelte ärgerlich die Stirn. »Der Kerl soll dich in Ruhe lassen. Sonst kriegt er’s mit mir zu tun.«
Die Idee fand Penelope beinahe amüsant – was wollte ein irischer Sträfling einem Arthur Ho schon sagen? Trotzdem lauschte sie ihm atemlos. Er war der schönste Mann, den sie je getroffen hatte, und sie konnte sich ihm einfach nicht entziehen. Liam fasste sie nicht wieder an, und das Kind erwähnte er auch nicht mehr. Sie sprachen über belangloses Zeug, was in der Kolonie so die Runde machte. Tratsch und Geschichten über Napoleon, der nun Deutschland mit seinem Krieg überzog. Doch würden die Franzosen es nicht leicht haben, gab sie die Ansicht des Hausherrn weiter. »Was weiß der schon vom Krieg?«, meinte Liam geringschätzig. »Gar nichts weiß der. Er hat ja nicht mal Fesseln getragen. Er ist ein Edelverschiffter, weiter nichts.«
Einmal erzählte Liam von den Kettenkerlen, mit denen er eine lange Zeit in New South Wales verbracht hatte, weil er einem Gefängnisaufseher dreiste Antworten gegeben hatte.
»Am besten ist es, du hältst den Mund. Sobald du ihn öffnest, bist du schon frech«, erklärte er. »Ein Aufseher hört nämlich Dinge, die gar nicht gesagt worden sind. Das ist ganz erstaunlich, wirklich.«
Er erzählte auch, wie die Kette die Männer zusammenschweißte. Er habe es fast bedauert, dass seine Zeit dort abgelaufen war. »Die Jungs halten dich. Erst zerfleischt mansich gegenseitig – wenn du einen Schwachkopf als Nachbarn hast, einen Schnarcher oder einen, der fünfmal am Tag scheißen muss vor Angst. Aber irgendwann hat man das hinter sich gelassen, dann steht man zusammen, teilt das Essen untereinander, hilft dem anderen. Man ist nie alleine. Das kann die Hölle sein oder ein Segen.« Er lächelte. »Wenn du vierzehn Jahre absitzen musst, ist allein das Wort schon die Hölle.«
Es war kurzweilig, mit Liam zu reden. Er hatte einen scharfen Verstand und
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