Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
behandelten Klagen über schlechte Versorgung von Sträflingen hatte er das Thema Essen einfach weitergereicht. Seine Leute bekamen nun ihre wöchentlichen Rationen ausgehändigt. Gab es nicht genug, mussten sie sich an die eigene Nase fassen und sich fragen, wo die Vorräte hingekommen waren – war das Essen zu schlecht, traf die Köchin keine Schuld. Diese Lösung sorgte für Frieden und hielt zudem die Arbeiter aus dem Haus fern – ein Umstand, der dem in der Ferne weilenden Captain besonders wichtig war, weil er keinen Aufseher beschäftigte. Seinen Schwager hatte er seinerzeit dafür ausersehen, die Männer zu beaufsichtigen, doch Arthur Ho hatte die Anwaltsstube dem Stall vorgezogen.
Penelope bekam den neuen Sträfling daher erst nach Tagen per Zufall zu Gesicht, als Hilda sie in den Stall schickte, um Eier zu sammeln.
»Wenn du mir ein drittes Mal übern Weg läufst, gehörst du mir«, sagte Liam hinter dem Haufen Brennholz, der er zusammen mit Pete vom Wagen abgeladen hatte und nun neben der Scheune aufstapelte. Schweiß lief in Strömen über seinen entblößten Oberkörper und malte Glanz auf die Muskeln. Mit großen Augen sah sie ihn an – von den Kettenkerlen hörte man, dass die harten Monate in den Kohleminen und Steinbrüchen ihren Tribut forderten. Nicht wenige verreckten jämmerlich an Schwäche.
Doch Liam schien noch kräftiger geworden zu sein, Penelopes unscharfer Blick gaukelte ihr diesmal nichts vor. Er schob den Wagen beinahe mühelos näher an die Scheune und wuchtete den Sack Anzündeholz alleine hinter die Tür, weil Pete sich im Schatten ausruhte. Dann spuckte er einmal herzhaft aus und grinste Penelope an.
»Ich gehöre niemandem«, sagte sie und wandte sich zum Gehen.
»He!«, rief er ihr hinterher. »Ist das alles?«
Sie drehte sich um, sah ihn lange an. »Ja.«
In diesem Wort lag die Essenz ihres letzten Aufeinandertreffens auf dem Schiff – Sehnsucht, Verletzung, Scham und tief in ihrem Herzen eine unsägliche Einsamkeit, seit das Kind nicht mehr bei ihr war. Niemals zuvor hatte sie sich so viel Trauer darüber zugestanden wie mit diesem »Ja«, hatte sich keine Tränen mehr erlaubt. Es musste ja weitergehen, das Leben hatte keine Zeit für so was. Doch hier wallte es nun noch einmal hoch. Sie hatten beide das Feuer gelegt. Sie trugen beide Schuld an dem Unglück.
Tränen brannten sich einen Weg über ihre Wangen. Sie gab sich keine Mühe, ihre Tränen zu verbergen. Dann wischte Penelope sie weg. Es ging ihn nichts an. Nichts ging ihn etwas an. Das Grinsen in seinem Gesicht war verschwunden. »Mann – ich liebe dich«, sagte er und hob die Schultern, als müsse er sich dafür entschuldigen.
»Ja«, sagte sie wieder und ging.
So wie Arthur Ho um Carrie gefreit hatte, so bemühte sich Liam um Penelope. Im Haus machte man sich heimlich darüber lustig, Arthur fand es hingegen wenig amüsant.
»Er soll seine Arbeit tun, statt den Röcken nachzustellen!«, rief er aus. »Wenn ich ihn noch einmal erwische, wie er mit den Frauen redet, landet er beim Magistrat. Auf seinem Rücken ist wohl noch Platz für den ein oder anderen Hieb!«
»Du musstest ihn ja anschleppen«, warf Mrs. Hathaway ihrem Bruder vor. »Ich habe dir gleich gesagt, dass ein Verbrecher nur Probleme macht. Keine meiner Freundinnenlässt so jemanden bei sich arbeiten, allenfalls draußen auf den Landgütern, aber doch keinen Steinwurf vom eigenen Schlafzimmer entfernt!« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete, wie Liam eine Baumwurzel ganz alleine aus dem Boden zog, um den Stall so zu vergrößern, wie Arthur das angewiesen hatte. Es gab noch kein Pferd, aber es würde gut sein, einen großen Stall zu besitzen, hatte er gemeint. Und jetzt hatte er einen Arbeiter, der ihm das Dach auch ohne Hilfe auf die Pfosten wuchten konnte. Ihre Bedenken, es könne dabei nicht bleiben, zerstreute er.
»Keine Sorge – sobald auch nur die kleinste Kleinigkeit vorfällt, schreite ich ein«, sagte er streng. Liam wurde also verwarnt und wusste nun jeden weiteren Zusammenstoß mit dem Hausherrn zu vermeiden. Es war gefährlich, Penelope zu treffen, das Haus hatte Augen. Das nächste Mal hielt er sich in den Büschen verborgen, als er sie ansprach.
»Unter dem Deck oder im Gebüsch – wo ist da der Unterschied?«, fragte er, als sie kopfschüttelnd nachschaute, wo er sich verbarg. »Das Böse wird weggepackt, damit niemand es sieht.« Er schnitt eine fürchterliche Grimasse.
»Unter Deck wussten sie
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