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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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Ruderbooten ein neuer Abschnitt ihres Lebens begann: der Transport nach Botany Bay.
    »Thelma sagt, dass wir sterben können«, flüsterte Penelope. »Thelma sagt, wir werden alle ertrinken.«
    »Der Kahn der Hoffnungslosigkeit ist der Tod auf Raten«, brummte die alte Jenny, die mit ihnen in das Ruderbootverladen worden war. »Da geh ich doch lieber aufs Meer und schaffe es vielleicht, irgendwann zu entkommen.«
    »Entkommen?« Penelope traute ihren Ohren nicht. Aus dem Labyrinth von Ketten, Schlössern und Schellen … entkommen? »Du bist verrückt! Glaubst du etwa, das ist möglich?«
    »Es gelingt immer wieder welchen, zu entkommen, Mädchen«, raunte die Alte. »Manche von ihnen schaffen es sogar nach England zurück – ich traf einen von ihnen! Er war mit einem Ruderboot den ganzen langen Weg übers Meer nach China zu den gelben Männern gerudert.«
    »Nein!«
    »Doch! Er ruderte bis nach China und heuerte dort bei einem Holländer an. Der nahm ihn mit zurück nach England, wo er heute –«
    »In Newport hockt«, unterbrach Eliza Cornell die Alte heftig. »Die Geschichte kenne ich – erzähl doch keine Lügen! Niemand entkommt ungestraft in Botany Bay! Sie haben überall Wachen und scharfe Hunde, und wenn sie dich fangen, lassen sie die Peitsche auf deinem Rücken tanzen – fünfhundert Streiche, so hab ich gehört! Und schaffst du es vielleicht doch an ihnen vorbei, warten die schwarzen Wilden auf dich – die haben giftige Speere, die jeden finden, weil sie um die Ecke fliegen können, und wenn sie dich treffen, zuckst du stundenlang im Todeskampf, wenn du nicht vorher in der Hitze verdurstet bist.« Eliza war eine geborene Geschichtenerzählerin, doch wie viel an ihrem Gerede mochte wohl der Wahrheit entsprechen?
    »Ach, warten wir’s einfach ab«, sagte Jenny, um Penelope zu beruhigen. »Es ist nicht gut, mit Angst auf ein neues Schiff zu steigen.«
    Penelope zitterte. Ihr war speiübel, während die Ruderim monotonen Rhythmus auf das Wasser klatschten und es keinen Hinweis darauf gab, wohin sie fuhren und wann sie ankommen würden. Ihr war in letzter Zeit oft übel. Mary war nach jener Nacht im Kettenlager in ihr vorwurfsvolles Schweigen zurückgekehrt, und Penelope hatte nicht davon anzufangen gewagt, sie wusste, wie sehr die Mutter das Jammern hasste. Zumal sie ja durch ihre, Penelopes, Schuld auf diesem Boot saßen. Stattdessen hatte sie sich der alten Jenny anvertraut, deren freundliche Nähe so wohltuend war. Die hatte noch auf dem Kahn vermutet, dass es am schlechten Essen lag, und hielt ihr auch jetzt die Hand, als sie sich über die Reling hinweg ins Wasser erbrach.
    »Ja ja, Mädchen«, sagte sie und strich über ihren Rücken.
     
    Wenig später legte das Ruderboot mit den Frauen im Hafen von Portsmouth an – dem Hafen, wo die großen Schiffe vor Anker lagen. Hier gab es keinen trübseligen Nebel und keine Kähne der Hoffnungslosigkeit. Penelope hörte Matrosen rufen und singen, und über emsiger Geschäftigkeit schwebten Möwen auf dem Wind und warteten darauf, dass die Schiffe ihre Segel hissten und sie mit ihnen aufs offene Meer ziehen konnten.
    Den Gefangenen blieb nur wenig Zeit, sich umzuschauen. Die wenigsten von ihnen waren jemals in der Nähe solcher riesigen Schiffe gewesen, und als die Aufseher sie die Strickleiter hochschoben, setzten sie sich nicht zur Wehr, sondern konzentrierten sich auf die Leiter, denn unter ihnen gähnte tief der Abgrund über der See. Penelope kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit und die Idee, wie es wohl wäre, einfach die Sprossen loszulassen, sich fallen zu lassen –
    »Weiter, los, weiter!«, blaffte ein Mann mit einer Ochsenpeitsche, der immer drei Frauen auf einmal die Leiter hochscheuchte. Penelope und Mary waren schon unten im Boot getrennt worden, und als Penelope über die Reling gerutscht war, versuchte sie aus der Reihe der Frauen auszuscheren, um sich nach ihrer Mutter umzuschauen. Ein Schlag traf sie unvermittelt auf den Rücken und säte dort Feuer.
    »Erbarmen«, stöhnte sie, »meine Mutter – bitte, lasst mich zu meiner Mutter.«
    »Nu lass sie schon, die ist ja noch ein Kind«, erklang da eine ungewohnt versöhnliche Männerstimme.
    Der Mann mit der Ochsenpeitsche fluchte.
    »Setz dich auf, Mädchen, gleich sind sie alle oben, dann geht es weiter.« Der Mann mit der schönen Stimme verdunkelte die Sonne, als er sich zu ihr herunterbeugte. Jahre an der frischen Luft hatten tiefe Falten in sein Gesicht gegraben, ruhige

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