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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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gefunden, denn von einem Karren luden zwei Männer in Sträflingskluft Decken und Kleider, mit denen die Übriggebliebenen ihre Blöße bedecken konnten. Sie verteilten Hosen, Hemden und einfache Frauenkleider, die mit einem Strick um die Taille zusammengebunden wurden. Der raue Stoff hatte die gleicheFarbe wie der Erdboden, auf dem sie lagen. Unter Bäumen wurde ein provisorisches Nachtlager errichtet. Es wurde von zwei Aufsehern bewacht, die ihre Aufgabe ernst nahmen. Die Sonderbezahlung, zwei Kannen Rum, förderte ihren Eifer. Ein Fluchtversuch endete in Prügel. Penelope beobachtete ihr Tun. Das Saufen, das Umherstolzieren, das Schwenken der Ochsenpeitschen. Sinnlos, sich auch nur anders hinzusetzen, die beiden sahen alles. Es hatte keinen Zweck, nach Mary zu suchen.
    Der Hafen von Sydney leerte sich. Die Nacht brach an in New South Wales.
    Ihre erste Nacht als Sträfling der britischen Kolonie am anderen Ende der Welt.
     
    Für die Übriggebliebenen interessierte sich auch niemand mehr, als sie am nächsten Tag Sydney durchquerten. Die meisten von ihnen waren zu schwach gewesen, um zu Fuß zu gehen, man hatte sie daher auf Karren verladen. Ein alter Mann starb während der Fahrt. Die Frauen legten ihn auf den Boden zwischen ihre Füße. Immerhin deckte eine von ihnen ein Tuch über seinen Kopf.
    »Heiß ist es«, murmelte Penelopes Nachbarin, »verflucht heiß … davon hat niemand was erzählt.«
    »Niemand hat irgendwas erzählt«, gab Penelope zurück. Es tat gut, zu reden, stellte sie fest, weil es sie ablenkte. In der Nacht hatte sie befürchtet, über dem Schmerz des Verlustes verrückt zu werden.
    »Weißt du, wo sie uns hinbringen?«, fragte Penelope die Frau, mutig geworden. Der neue Tag brachte eine Sonne, wie sie sie in England nie erlebt hatte. Sie schaffte es, Zuversicht im Herzen zu entzünden, und kleidete die Schiffbrüchigen in freundliche Wärme. Penelope steckte sich dasletzte Stück Brot in den Mund. Das kleine Frühstück hatten sie am Morgen alle dankbar angenommen, sie selber hatte sogar hungrig gegessen. Danach war es ihr leichter gefallen, ihre Gedanken zu ordnen und zu überlegen, wie sie nach Mary suchen könnte. Die Mutter hatte das Kind zuletzt gehabt – sie musste Mary finden.
    »Ich hörte, nach Parramatta in die Fabrik«, sagte die Frau. »Hier wäre es wohl hübsch gewesen.«
    »Parramatta. Nicht Sydney?« Penelope runzelte die Stirn. Parramatta, das klang nach Wildnis. Wie sollte sie denn da nach der Mutter suchen?
    Der Karren rumpelte über unebenes Pflaster an niedrigen Häusern vorbei, die sich vor der Hitze zwischen hohe Bäume duckten. Penelope kniff die Augen zusammen, erkannte Zäune, blühende Sträucher, kleine Gemüsegärten. Ein bisschen sah es hier aus wie daheim in England. Von überall her kamen Menschen herbeigelaufen, um die Insassen des Karrens zu betrachten. Der Kutscher hielt auf ein Schwätzchen an.
    »Nichts für mich dabei, Jones«, rief ein braungebrannter Mann und wedelte mit seinem Schlapphut. »Nächstes Mal bringst du Jüngere –«
    »Aber, Sam, die Hübschen wurden gestern Abend verteilt. Hast wohl wieder betrunken herumgelegen«, gab der Kutscher zurück.
    Der andere lachte. »Ja, am Abend hab ich anderes zu tun.«
    »Nächstes Mal jagen wir das Schiff einfach noch lauter in die Luft, damit du im Suff hörst, dass neue Sträflinge abgeladen werden.« Eine Frau, die ebenfalls gekommen war, um sich den Rest der Angelandeten anzuschauen, lachte lauthals.
    »Ja, das Schiff, nun sagt mal, ist es denn wirklich verbrannt?«, fragte ein Dritter. Die Menschen blieben stehen, besprachen die dramatischen Ereignisse des vergangenen Abends und wie hoch die Flammen in den Himmel gelodert waren, und Sam hörte nicht auf, den Kopf darüber zu schütteln, dass er von alledem wirklich nichts mitbekommen haben sollte. Mit breitestem schottischem Akzent bat er darum, dass man das nächste Mal doch an seine Tür klopfen und der Mamsell, die ihn bekoche, sagen solle, dass sie ihn nach draußen zerre.
    »Sie schreit so laut, wenn sie es dir besorgt«, kicherte ein alter Mann, »da hört sie uns sowieso nicht.«
    »Du hast doch schon eine Mamsell, was brauchst du da eine zweite?«, wunderte sich ein anderer.
    »Eine fürs Bett und eine für die Küche, und beide haben genug zu tun«, lachte die Frau.
    Dann rumpelte der Karren mit den Sträflingen weiter. Niemand drehte sich nach ihnen um.
     
    Mit letzter Kraft hatte Mary ihre Hände in den nassen Sand gegraben, um sich

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