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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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hätte das Zeug zum Filmstar.
    Die haben nie geantwortet, sagte sie. Das schien sie noch immer zu wundern.
    Mein Vater kam aus unserer Stadt. Meine Mutter hatte ihn bei der Hochzeit einer ehemaligen Schulkameradin kennen gelernt, oben in Massachusetts, an der North Shore.
    Ich weiß nicht mal, weshalb Cheryl mich eigentlich eingeladen hat, sagte meine Mutter. Wir waren gar nicht so eng befreundet. Aber wenn irgendwo getanzt wurde, war ich mit von der Partie.
    Mein Vater war mit einer anderen Frau bei dieser Hochzeit gewesen. Meine Mutter kam alleine, aber das war ihr ganz recht. Dann war man nicht den ganzen Abend an jemanden gebunden, der vielleicht nicht gut tanzen konnte, sagte sie.
    Mein Vater war ein guter Tänzer. Im Laufe des Abends machten die Leute einen Teil der Tanzfläche frei nur für die beiden. Er führte sie in Drehungen, die meine Mutter selbst noch nicht kannte, und wirbelte sie so wild umher,
dass meine Mutter froh war, ihre rote Unterwäsche angezogen zu haben.
    Mein Vater konnte auch gut küssen. Nach diesem Abend verbrachten die beiden das ganze Wochenende und die ersten drei Tage der nächsten Woche im Bett. Ich legte keinen großen Wert darauf, dass meine Mutter mir solche Sachen erzählte, aber das hielt sie nicht davon ab. Bei ihrem zweiten Glas Wein sprach sie sowieso nicht mehr zu mir, sondern nur noch zu sich selbst.
    Wenn wir nur die ganze Zeit hätten tanzen können, sagte sie. Wenn wir nur nie aufgehört hätten zu tanzen, dann wäre alles gut gewesen.

    Meine Mutter gab ihre Stelle im Reisebüro auf und zog zu meinem Vater. Damals vertrieb er noch keine Versicherungen. Er fuhr mit einem Imbisswagen durch die Gegend und verkaufte auf Jahrmärkten Hot Dogs und Popcorn. Meine Mutter begleitete ihn, und wenn sie zu weit im Norden oder am Meer waren, fuhren sie gar nicht mehr zurück an diesem Abend. Sie hatten immer einen Schlafsack im Wagen. Einer genügte ihnen.
    Diese Märkte gab es natürlich nur im Sommer. Im Winter fuhren sie nach Florida. Dort servierte meine Mutter eine Weile Margaritas in einer Bar am St. Pete Beach, und mein Vater bot Ausflüge für Touristen in die Everglades an. Und abends gingen sie tanzen.
    Ich versuchte möglichst langsam zu essen, wenn meine Mutter diese Geschichten erzählte. Sobald wir aufgegessen hatten, würde sie sich daran erinnern, wo wir waren,
und aufstehen. Wenn sie über diese Zeit sprach, über Florida und den Hot-Dog-Wagen und ihre Pläne, mit meinem Vater nach Kalifornien zu gehen und als Tanzpaar in einer Fernsehshow aufzutreten, passierte etwas mit ihrem Gesicht wie bei Leuten, die einen Song aus ihrer Jugendzeit im Radio hören oder auf der Straße einen Hund sehen, der sie an ihren eigenen Hund aus der Kindheit erinnert – einen Boston Terrier vielleicht oder einen Collie. Einen Moment lang sah meine Mutter dann aus wie meine Oma, als sie erfuhr, dass Red Skelton gestorben war. Oder wie sie selbst damals ausgesehen hatte, als mein Vater mit dem Baby im Arm, das er als meine Schwester bezeichnete, vor unserem Haus stand. Da lebte er schon über ein Jahr lang nicht mehr bei uns, aber als meine Mutter das Baby anschaute – das war am schlimmsten.
    Ich hatte ganz vergessen, wie kleine Babys sind, sagte sie. Damals sah es aus, als sei etwas in ihrem Gesicht geschmolzen. Oder vielleicht verschrumpelt. Dann riss sie sich zusammen. Du warst viel niedlicher, sagte sie.
    Zu der Zeit, als wir noch manchmal irgendwohin fuhren, erzählte sie auch unterwegs, aber nachdem wir nur noch zuhause blieben, war es das Abendessen, bei dem ich diese Geschichten zu hören bekam, und selbst wenn sie traurig waren, wünschte ich mir immer, dass sie nie zu Ende gingen. Doch immer wenn ich meine Gabel weglegte, hörte meine Mutter zu erzählen auf, auch wenn die Geschichte noch nicht zu Ende war, und ihr Gesicht sah wieder so aus wie vorher.
    Wir sollten lieber den Tisch abräumen, pflegte sie dann zu sagen. Du musst noch Hausaufgaben machen.

    Das Ende jener Zeit des Tanzens kam, als meine Eltern wieder in den Norden zogen und den Hot-Dog-Wagen verkauften. Diese Art von Fernsehshows aus unserer Jugend gab es nicht mehr, sagte meine Mutter. Mit Tänzern. Sie waren quer durchs ganze Land gefahren, ohne zu bemerken, dass man die Sonny and Cher Show und die Glen Campbell Goodtime Hour schon längst abgesetzt hatte. Aber das ging auch in Ordnung, weil es eigentlich gar nicht der größte Wunsch meiner Mutter war, als Tänzerin im Fernsehen aufzutreten. Am meisten

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