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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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aber
als Ryans Vater wieder rauskam, sah er jedenfalls aus, als täte ich ihm leid.
    Du kannst uns besuchen, wann immer du willst, mein Junge, sagte er zu mir. Aber danach ging ich nie wieder zu Ryan.

    Dass wir Frank mit nach Hause nahmen, war also eine große Sache. Er war vermutlich der erste Mensch, der seit einem Jahr bei uns zu Besuch war. Oder vielleicht auch seit zwei Jahren.
    Es sieht furchtbar aus bei uns, tut mir leid, sagte meine Mutter. Wir hatten viel zu tun.
    Ich schaute sie an. Was sollte das denn heißen?
    Sie öffnete die Haustür. Joe, der Hamster, rannte in seinem Rad herum. Auf dem Küchentisch eine Zeitung, die schon ein paar Wochen alt war. Klebezettel an den Möbeln, auf denen mit Filzstift geschriebene spanische Wörter standen. Mesa. Silla. Agua. Basura. Spanischlernen war das eine Projekt, mit dem meine Mutter uns den Sommer über beschäftigt halten wollte, Hackbrettspielen das andere. Im Juni hatte sie mit Spanisch begonnen, indem sie sich Kassetten aus der Bücherei anhörte. Donde este el baño? Cuanto cuesta el hotel?
    Die Kassetten waren für Leute gedacht, die verreisen wollten. Wozu soll das gut sein?, hatte ich gefragt, weil ich lieber das Radio einschalten und Musik hören wollte.
    Wir hatten ja wohl nicht vor, in irgendein spanischsprachiges Land zu reisen. Für uns war es ja schon ein aufregendes
Ereignis, alle sechs Wochen in den Supermarkt zu fahren.
    Man weiß nie, welche Möglichkeiten sich einem noch eröffnen, sagte sie.
    Und jetzt stellte sich heraus, dass auch auf ganz unerwartete Weise etwas Neues passieren konnte. Wir mussten gar nicht irgendwohin reisen, um ein Abenteuer zu erleben. Das Abenteuer kam zu uns.
    Wir gingen in die Küche mit den hoffnungsvoll gelben Wänden, der letzten verbliebenen Glühbirne und dem Keramiktier vom letzten Jahr, einem Schwein, dessen grüne Sprossen schon seit langem braun und vertrocknet waren.
    Frank sah sich um. Er wirkte so gelassen, als sei es ganz normal, dass man in seiner Küche fünfzig oder sechzig Dosen Campbell’s Tomatensuppe an der Wand aufgestapelt hatte, wie im Supermarkt einer Geisterstadt, und daneben Kartons voller Hörnchennudeln, Erdnussbuttergläser und Rosinenpackungen. Auf dem Boden waren noch die Fußabdrücke vom Sommerprojekt des Vorjahres aufgezeichnet, als meine Mutter mir Foxtrott und Two Step beibringen wollte. Ich sollte die Füße auf die Muster am Boden stellen, während sie als meine Partnerin den Takt zählte.
    Es ist toll, wenn ein Mann tanzen kann, hatte meine Mutter gesagt. Wenn ein Mann gut tanzen kann, liegt ihm die Welt zu Füßen.
    Hübsch hier, sagte Frank. Gemütlich. Darf ich mich an den mesa setzen?
    Wie trinken Sie Ihren Kaffee?, fragte meine Mutter. Sie trank ihn schwarz. Manchmal kam es mir vor, als würde sie
nichts anderes zu sich nehmen. Die Suppe und die Nudeln kaufte sie für mich.
    Frank las die Schlagzeile auf der Zeitung, obwohl sie schon ein paar Wochen alt war. Da offenbar keiner etwas sagen wollte, beschloss ich, das Eis zu brechen.
    Wie ist das mit dem Bein passiert?, fragte ich. Es interessierte mich auch, wie er sich die Verletzung am Kopf zugezogen hatte, aber ich wollte nicht zu viel auf einmal fragen.
    Ich will aufrichtig zu dir sein, Henry, sagte er. Es erstaunte mich, dass er sich meinen Namen gemerkt hatte. Zu meiner Mutter sagte er, Zucker und Sahne, danke, Adele.
    Sie stand mit dem Rücken zu uns und zählte die Löffel Kaffee ab. Er schien zu mir zu sprechen, aber sein Blick ruhte auf ihr, und zum ersten Mal konnte ich mir vorstellen, wie jemand sie wahrnahm, der nicht ihr Sohn war.
    Deine Mom sieht aus wie Ginger in dieser Serie auf Nickelodeon, Gilligans Insel, sagte mir mal ein Mädchen, Rachel. Das war in der fünften Klasse, als meine Mutter sich ausnahmsweise in meiner Schule sehen ließ, um sich eine Theateraufführung von Rip Van Winkle anzuschauen, in der ich den Rip spielte. Rachel hatte auch die Theorie entwickelt, dass es sich bei meiner Mutter tatsächlich um die Schauspielerin handelte, die in der Serie Ginger spielte, und dass sie hier in dieser Kleinstadt lebte, um dem Hollywood-Rummel und ihren Fans zu entkommen.
    Ich konnte mich damals nicht dazu durchringen, diese Theorie zu entkräften. Schließlich ließ sich damit gut erklären, warum meine Mutter nie das Haus verließ. Was immer auch der wahre Grund dafür sein mochte.

    Obwohl sie eine Mutter war – und nicht nur irgendeine, sondern meine Mutter – und gerade nur einen alten Rock und

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