Der Duft von Orangen (German Edition)
Coffeeshop war mit das Beste daran, in diesem Viertel zu wohnen, und obwohl ich erst seit wenigen Monaten hier lebte, liebte ich es jetzt schon.
Als Jen endlich zu unserem Tisch zurückkehrte, in der Hand einen großen Becher mit einem Getränk, das sowohl nach Minze als auch nach Schokolade roch, und in der anderen einen Teller mit einem saftigen Brownie, hatte sich die Schlange an der Kasse aufgelöst, und es war ein wenig Ruhe eingekehrt. Die Kunden, die öfter herkamen, hatten ihre üblichen Plätze eingenommen, und diejenigen, die nur etwas zum Mitnehmen haben wollten, waren mit ihren Pappbechern schon wieder verschwunden. Das Mocha war jetzt gut gefüllt. In der Luft lag das Summen der Unterhaltung und das Klackern der Laptoptastaturen der Leute, die sich das kostenlose WLAN zunutze machten. Mir gefiel die Geräuschkulisse. Sie machte mir bewusst, dass ich da war. In diesem Moment. In diesem Augenblick, bei vollem Bewusstsein.
„Hat sie heute gar nicht versucht, dir irgendeinen Schmelzkäse oder so zu verkaufen? Vielleicht hat sie den Wink verstanden.“ Jen reichte mir eine Gabel, und auch wenn ich widerstehen wollte, konnte ich nicht anders, als ein Stück von ihrem Brownie zu probieren.
„Ich mag die Sachen von Spicefully Tasty eigentlich ganz gerne“, sagte ich.
„Pffffft!“ Jen lachte. „Hör auf.“
„Nein, wirklich“, beharrte ich. „Sie sind teuer, aber praktisch. Wenn ich jemals wirklich kochen würde, wäre es noch besser.“
„Wem sagst du das. So viel Geld für ein paar Gewürze, die ich mir für zwei Dollar im Laden kaufen und selber zusammenmixen kann. Nicht dass ich das tun würde“, fügte Jen an. „Aber ich könnte.“
„Vielleicht nächsten Monat.“ Ich nippte an meinem sich schnell abkühlenden Kaffee und genoss das reichhaltige, weiche Gefühl der Sahne auf meiner Zunge. „Nachdem ich ein paar Rechnungen bezahlt habe.“
„Du hast Wichtigeres zu tun … oh. Sehr schön. Endlich.“ Jen senkte ihre Stimme beinahe zu einem Flüstern.
Ich wandte den Kopf, um zu sehen, wohin sie schaute. Ich erhaschte einen Blick auf einen langen schwarzen Mantel und einen rotschwarz gestreiften Schal. Der Mann, der beides trug, hatte eine dicke Zeitung unter dem Arm klemmen, was in den Zeiten von Smartphones und Internet ein so seltener Anblick war, dass ich zweimal hinschauen musste. Er sprach mit dem Mädchen an der Kasse, die ihn zu kennen schien, und nahm dann seinen leeren Becher mit zu dem langen Tresen, auf dem die Kaffeekannen zur Selbstbedienung standen.
Im Profil war er einfach hinreißend. Sandblondes, ein wenig zerzaustes Haar, eine scharf geschnittene Nase, die sein Gesicht aber nicht zu sehr dominierte. Kleine Fältchen in den Winkeln seiner Augen, die ich nicht sehen konnte, von denen ich aber vermutete, dass sie blau waren. Sein Mund – die Lippen konzentriert geschürzt, während er sich Kaffee einschenkte und Milch und Zucker dazugab – war gerade voll genug, um verführerisch zu sein.
„Wer ist das?“, fragte ich.
„Süße!“, hauchte sie heiser. „Du weißt nicht, wer das ist?“
„Würde ich dann fragen?“
Der Mann in dem schwarzen Mantel ging so nah an uns vorbei, dass ich seinen Duft wahrnehmen konnte.
Orangen .
Ich schloss meine Augen gegen die zweite Welle des Geruchs. Der Geschmack des Kaffees auf meiner Zunge war so stark, dass er eigentlich alles andere hätte übertönen müssen, doch das tat ernicht. Ich hätte Kaffee und Schokolade riechen müssen, doch ich roch Orangen. Wieder einmal. Ich beugte den Kopf und drückte meine Fingerspitzen auf den magischen Punkt zwischen meinen Augen, der hervorragend gegen Kopfschmerzen half, aber bei einer Episode leider überhaupt nichts bewirkte.
Doch als ich meine Augen wieder öffnete, wirbelten keine Farben am Rand meines Sichtfelds herum, und der Duft von Orangen wurde schwächer, je weiter der Mann sich entfernte. Ich schaute zu, wie er sich an einen Platz am anderen Ende des Coffeeshops setzte. Er klappte die Zeitung auf, breitete sie auf dem kleinen Tisch aus, stellte seinen Kaffeebecher ab und zog den Mantel aus.
„Alles in Ordnung mit dir?“ Jen beugte sich in mein Blickfeld vor. „Ich weiß, er ist verdammt heiß, aber mein Gott, Emm, du sahst aus, als wenn du gleich ohnmächtig werden würdest.“
„PMS“, sagte ich. „Manchmal wird mir um diese Zeit des Monats ein wenig schwindelig.“
Jen runzelte die Stirn. „Das ist nicht schön.“
„Wem sagst du das.“ Ich grinste, um ihr
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