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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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wie die Dinge jetzt lagen, hatte das von der Pest der Vaterländerei befallene Genie Kassens eine Höllenmaschine erfunden. Daß eine solche Situation unvermeidlich gewesen war, wußte niemand besser als der Professor. Die Wissenschaft hatte den Menschen unversehens überlistet. Jetzt war es zu spät, um von einer neuen Weltordnung zu reden. Die Vernichtung stand unmittelbar bevor. Zwar fuhr er noch in seinem Ford, seinem Citroën, seinem Opel, seinem Morris-Cowley, und seine Frau wusch noch seine Kleider und stopfte seine Socken, aber in einem Labor in einem winzigen Balkanstaat, in den Direktionsräumen der Firma Cator & Bliss und hier in diesem Hotel waren Männer dabei, die alte Welt in Trümmer zu legen.
    Wie konnte man sie aufhalten? Und selbst angenommen, man könnte sie aufhalten, wer wäre dazu in der Lage? Einmal angenommen, man könnte dem Mann von der Straße die Gefahr, in der er schwebte, plausibel machen, und er könnte veranlaßt werden, etwas dagegen zu unternehmen, wie würde er vorgehen? Die bloße Existenz einer Organisation würde mit Sicherheit den Weltkrieg herbeiführen, den sie verhindern sollte. Nein, der kleine Mann hatte nur eine Chance: ein außerordentlicher Mensch mußte erscheinen und für ihn kämpfen, ein Mann mit übermenschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten, ein Mann, der das üble Tun von Kassen, Ixanien und Cator & Bliss vereiteln würde. Und er müßte seine Tat rasch tun und unauffällig.
    Wo sollte man einen solchen Mann finden? Aus lauter Verzweiflung nahm der Professor das Buch in die Hand.
    Sein Eigentümer hatte es auf dem Sofa neben dem Sessel, in dem der Professor saß, liegen lassen. Es war aufgeschlagen, umgedreht, und sein grellgelber Umschlag stach in die Augen. Auf der Rückseite war eine Liste der andern Bücher des Verlags, auf der Vorderseite prangte ein dreifarbiges Bild, das einen schlanken Mann mit markantem Kinn und starkem Bartwuchs zeigte, der eine automatische Pistole in der Hand hielt. Darüber der Titel in blutroten Lettern:
    CONWAY CARRUTHERS, DEPT. Y.
    Der Professor wollte das Buch schon wieder weglegen, da es ja nicht ihm gehörte, als sein Blick an einem Absatz auf der aufgeschlagenen Seite hängen blieb. Er begann zu lesen.
     
    Carruthers Muskeln strafften sich, dann sprang er mit der Geschmeidigkeit eines Panthers und hielt sich mit beiden Händen am Sims fest. Unter sich sah er Krask verbissen die Feuerleiter heraufklettern, in der Hand eine glitzernde automatische Pistole. Es war keine Zeit zu verlieren. Mit einem Klimmzug seiner mächtigen Muskelpakete hievte sich Carruthers in den Schulz der Fensterbrüstung. Für einen Augenblick war er in Sicherheit. Aber Krask hatte ihn gesehen, und Carruthers hörte, wie er die Mauser entsicherte. Zum ersten Mal in seinem Leben war Carruthers wirklich in einer verzwickten Lage. Ins Innere des Hauses zurückzukehren würde seinen sicheren Tod bedeuten – Schwartz würde dafür sorgen. Mit einem unbewaffneten Krask wäre er leicht fertig geworden, aber er mußte mit der Mauser rechnen, und Krask stand im Ruf eines Meisterschützen. Da kam ihm jene unglaubliche Findigkeit zu Hilfe, die den Namen Carruthers in allen fünf Erdteilen zu einem Schrecken für die Verbrecher gemacht hatte. Schnell, doch sehr ruhig, wickelte Carruthers von seiner Hüfte eine lange, seidene Kordel. Ein japanischer Fischer, der ihm sein Leben verdankte, hatte sie ihm verehrt. Sie war dünn, aber sie trug leicht das Gewicht eines Mannes und hatte ihm schon aus mancher Klemme geholfen. Mit leichter, geübter Hand knüpfte er einen Gleitknoten hinein, legte sie sich wie ein Lasso um die Hand und ging dann auf Zehenspitzen an den Rand des Simses. Krask war nun etwa sechs Meter weiter unten. Er schnaufte, und sein brutales Gesicht troff vor Schweiß, aber er hielt die Pistole fest in der Hand, und es war klar, daß er sofort losballern würde. Carruthers prüfte die Schlinge ein letztes Mal. Ein Cowboy aus Arizona, mit dem er befreundet gewesen war, hatte ihn in alle Geheimnisse des Lassowurfs eingeweiht. Zischend schlängelte sich die Seidenkordel nach unten. Krask hörte sie nur. Doch dann stellte er fest, daß ihm die Mauser aus der Hand gerissen worden war. Verblüfft blieb er stehen. Dann erfaßte ihn Panik. Er drehte sich um und rannte die Feuerleiter hinunter. Er kam nicht weit.
    »Noch ein Schritt«, sagte Carruthers freundlich, aber mit einem metallischen Ton in der Stimme, »und Sie sind ein toter Mann.«
     
    Professor

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