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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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murmelte: »Gütiger Himmel!«, und wie Manja flüsterte: »Das arme Kind. Sie wäre besser gestorben.«

Die Arzt-Zweiheit war schnell gekommen, und noch während ich schluchzend in die Kissen sank, spürte ich das kalte Brennen des Schlafmittels, das durch meine Vene den Arm hinaufkroch. Dann flossen Tag und Nacht ineinander und wurden zu einem bleiernen Grau. Die Medizin betäubte meinen Schmerz, aber sie verwandelte meinen Schlaf auch in etwas Dumpfes, Fremdes: die Träume erstarrten zu toten Bildern und Worten. Und immer wieder sah ich Tian vor mir. Er beugte sich über mich und blickte mich besorgt und zärtlich an – nein, er sah durch mich hindurch, als sei ich unsichtbar oder er auf seltsame Weise blind. Mit offenen Augen kam er näher, bis seine Lippen fast meine berührten. »Du bist nicht tot!«, brachte ich mit erstickter Stimme hervor. Ich schluchzte, oder vielleicht lachte ich auch aus Erleichterung. Ein Traum. Alles war nur ein böser Traum . Ich spürte seinen warmen Atem auf meinem Mund, als er zu mir sprach. »Wach auf, schöner Stern. Folge mir! Wir haben nicht viel Zeit …«
    Am Rande meines Bewusstseins nahm ich wahr, wie meine Mutter meine Handgelenke mit Seidentüchern ans Bett fesselte, weil ich aufzustehen versuchte.
    »Sie träumt immer noch! Gib ihr noch ein Schlafmittel!«
    »Willst du sie vergiften, Isané?«
    »Nein, aber sie ist nicht mehr sie selbst – und sie träumt, das siehst du doch!«
    »Müssen wir sie morgen wirklich mitnehmen?«, fragte meine Schwester mit erstickter Stimme.
    »Wir haben keine Wahl«, antwortete mein Vater. »Sie muss als Zeugin aussagen.« Und leiser fügte er hinzu: »Ich verstehe es nicht. Ich habe Tian doch gesehen. Er schlief!«
    Mein Traum zerstob. Tian ist fort … und vielleicht ermordet . Ich wimmerte. Eine kühle Hand legte sich auf meine Augen. Bittere Flüssigkeit rann zwischen meine Lippen. Ich schluckte sie wie eine Verdurstende. Alles war besser, als den Verlust in seiner ganzen Wucht spüren zu müssen.
    »Und jetzt hör endlich auf zu träumen«, beschwor mich meine Mutter. »Morgen musst du stark sein, Canda. So stark wie noch nie.«
    *
    Im Zentrum der Macht Ghans, im dreißigsten Stockwerk des Eisernen Turms, gab es nichts Altes, keine Winkel, keine Trennwände, die Verstecke bieten konnten. Und auch keinen Goldglanz, der einen Scharfschützen durch Reflexionen ablenken konnte. Nur Stahl, mattes Grau, zu weißes Licht und Fensterfronten aus Panzerglas. Die Klimaanlagen liefen bereits, es war kühl.
    Auf jedem Flur, den wir entlanggingen, hielten die Leute inne und sahen uns nach. Meine Kehle war immer noch rau vom Schreien, meine Augen vom Weinen geschwollen, aber zumindest mein Körper hatte seine Balance wiedergefunden, ich brauchte niemanden mehr, der mich beim Gehen stützte.
    Durch meinen Schleier konnte ich die Neugier in den Mienen der Schaulustigen sehen – und das schlecht gespielte Mitgefühl der Hohen, die uns nur scheinbar zufällig begegneten. Geheimnisse hüteten sich schlecht in unserer Stadt, und ich wusste, keiner hatte Mitleid mit unserem Schicksal. Im Gegenteil: In den anderen Familien hielt man schon längst Sitzungen ab, um die Chancen eines neuen Paares auf den Mégantitel zu berechnen. Man überlegte bereits, wer unsere Stellen einnehmen würde. Heute war mir nichts gleichgültiger als das. Ich hatte mir stets eingebildet, besser als andere zu wissen, was Schmerz und Verlust bedeuten. Lange hatte ich geweint, als meine Tante die Traumkrankheit bekam und daran starb, und auch als eine junge Cousine ihren Verstand verlor, weil sie zu viel träumte, und kein Arzt in der ganzen Stadt sie mit den stärksten Schlafmitteln gegen diese Krankheit davon abhalten konnte. Doch das war nichts im Vergleich zu Manjas Nachricht. Dort, wo mein Herz geschlagen hatte, pochte nur noch eine schwelende, siedende Wunde.
    Eine Moreno weint nicht , wiederholte ich in Gedanken im Takt meiner Schritte. Sie ist stolz, nie zeigt sie ihren Schmerz und Kummer. Die Familiensätze füllten meinen Kopf, trugen mich vorwärts, jeder Gedanke an Tian hätte mich stürzen lassen und ich wäre nicht mehr aufgestanden. Aber ich musste aufrecht bleiben – ich musste zu den beiden Méganes. Sie waren die Einzigen, die ihm und mir helfen konnten. Niemals lässt sie sich in die Karten schauen, betete ich Silbe für Silbe, Schritt für Schritt , sie berechnet Chancen, blickt voraus und spricht als Letzte. Sie spinnt ihre Fäden und bringt Armeen zu Fall mit

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