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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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als einmal hatten wir aus unseren Verstecken heraus heimlich die Gespräche unserer Eltern belauscht. Jetzt führten mich die alten Schleichwege hinter Vorhängen und an Paravents vorbei zu der großen Flügeltür des Empfangsraums, der nur höchsten Gästen vorbehalten war.
    Die Wände neben den Türen waren mit Mosaiken von goldenen Wüstendünen geschmückt. Davor stand eine Kommode, auf der eine Kristallvase voll roter Rosen thronte. Der Blumenduft war betäubend stark. Meine Mutter bekam Kopfschmerzen davon, aber es gehörte sich für die Höchsten, die teuersten Blumen aus den Gewächshäusern als Schmuck zu besitzen.
    An der inneren Rückwand der Kommode ertastete ich das kleine sternförmige Schloss. Mein Familienring passte genau in die Form, als Kind hatte ich in Vaters Schubladen und Aufzeichnungen spioniert und dieses Geheimnis herausgefunden. Es klickte, als ein verborgener Mechanismus einen Zugang zum Mörderwinkel öffnete. So leise ich konnte, kroch ich durch die Öffnung in der Rückwand bis in die Kammer hinter der Mauer. Sie war enger, als ich sie aus Kinderzeiten im Gedächtnis hatte. Einst war das der Platz für einen Lauscher gewesen – viel öfter aber für einen Mörder.
    Der Rosenduft verlor sich. Hier drinnen roch es nur nach Jahre altem Staub. Über mir befand sich die Scharte an der Wand. Dünne Lichtlinien zeichneten den Umriss der Klappe und ich hörte bereits die Stimmen gedämpft aus dem Empfangsraum in die Kammer dringen. »Sie schläft immer noch, Hohe Mutter«, hörte ich Vida so höflich sagen, wie die Regeln es in Gesellschaft vorschrieben. »Ihr Fieber ist zwar nicht weiter gestiegen, aber die Ärzte sagen, man solle sie nicht wecken und niemand darf zu ihr. Sie versichern aber, in einigen Tagen wird es ihr besser gehen.«
    Man hörte das zuversichtliche Lächeln in ihrer Stimme. Neben ihrer Autorität und ihrer Härte bei Verhandlungen war es das dritte Talent meiner Schwester, glaubhafter als jeder andere lügen zu können.
    Ich schob mich an der Wand hoch, der Schleier rutschte mir vom Kopf und ich ließ ihn liegen. Auf Kehlenhöhe befand sich eine schmale Klappe, breit genug für einen Pfeil oder für den Lauf einer Pistole. In der Gründungszeit der Stadt hatte diese gut verborgene Öffnung dazu gedient, den Gesprächen im Gastzimmer zu lauschen – und die Waffe ständig auf ein Ziel gerichtet zu halten, um das Hohe Paar des Hauses zu schützen. Mein Vater sagte stets, es sei kein Zufall, dass für den Boden des Raumes roter Marmor ausgewählt worden war. So verdarb das Blut unserer Feinde keinen hellen Stein.
    »Da hörst du es, Manja«, ertönte die sachliche Stimme meiner Mutter. »In ein paar Tagen geht es ihr besser.«
    Lautlos schob ich die Klappe zur Seite. Auf der anderen Seite der Wand verbargen ein besonders aufwendiges Mosaik und eine kleine Nische die Scharte. Ich dagegen sah den ganzen Raum: Etwa ein Dutzend strategisch angebrachter Zierspiegel im Raum ermöglichten es mir, jeden Winkel im Auge zu behalten. Es gab mir einen Stich, Tians Eltern zu sehen. Sonst hatte Manja immer ein Lächeln im Gesicht, aber heute waren ihre Augen verschwollen vom Weinen, sie war aschfahl und ihre Lippen zitterten, nur mit Mühe hielt sie die Tränen zurück. Tians Vater, ein ernster Mann mit weichen Zügen und heller Bronzehaut, legte ihr die Hand auf die Schulter, aber sie streifte sie unwirsch ab. Rote Korallenarmreife klapperten. »Nein, Isané!« Manja schüttelte den Kopf. In einem der Spiegel sah ich, wie ihre roten, langen Locken bei dieser Geste auf dem Rücken tanzten wie Seeschlangen. »Canda ist nicht krank!«
    Egal wie zornig Manja war – ihre Stimme war immer wie ein warmer Klang, sie füllte den Raum und brachte jedes Herz zum Schwingen. Und so erschrocken ich über ihre respektlose Antwort war – irgendein kleiner, fremder Teil von mir war seltsamerweise froh darüber, dass sie die Lüge meiner Familie nicht glaubte.
    Meine Mutter bekam schmale Augen. »Natürlich ist sie krank! Hast du vergessen, wie eure Wächter sie vor Tians Tür behandelt haben?«
    » Wenn es Canda war«, erwiderte nun Tians Vater. »Die Wächter schwören, es war ein anderes Mädchen.«
    »Du glaubst deinen Wächtern mehr als uns?« Jetzt war meine Mutter ganz Richterin, eisig, beherrscht und gefährlich, mit harten Lippen und klarem Blick. Die Luft schien um einige Grad kälter zu werden.
    Aber Tians Eltern ließen sich nicht einschüchtern.
    »Sagt uns endlich die Wahrheit!«,

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