Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
wegen der durch die Kachelfugen sickernden Feuchtigkeit bereits zu verlaufen begannen, die letzte Mitteilung der befreiten Brecher an sie:
Hier rasteten sie einige Zeit und aßen Hände voll Rosinen aus einer Konservenbüchse. Selbst Oy knabberte ein paar, obwohl sein Verhalten deutlich zeigte, dass er sich nicht viel aus ihnen machte. Nachdem sie genug gegessen hatten und Roland die Büchse wieder in dem Lederbeutel verstaut hatte, fragte er Susannah: »Also, kann’s weitergehen?«
»Ja. Am besten sofort, bevor ich meine … Großer Gott, Roland, was war das?«
Hinter ihnen, vermutlich in einem der Korridore jenseits der Kreuzung mit dem Trümmerhaufen in der Mitte, war ein gedämpfter dumpfer Aufprall zu hören gewesen. Er hatte irgendwie flüssig geklungen, so als hätte ein Riese mit Gummistiefeln, die voller Wasser gelaufen waren, einen Schritt gemacht.
»Keine Ahnung«, sagte er.
Susannah sah sich unbehaglich über die Schulter um, konnte jedoch nur Schatten erkennen. Einige davon bewegten sich, aber das konnte auch daran liegen, dass manche der Lampen unruhig flackerten.
Es konnte daran liegen.
»Weißt du was«, sagte sie, »ich glaube, dass es eine gute Idee wäre, hier so schnell wie möglich abzuhauen.«
»Ich glaube, du hast Recht«, sagte Roland, während er sich wie ein Sprinter, der in den Startblöcken hockte, auf ein Knie und die gespreizten Finger beider Hände stützte. Als Susannah dann wieder im Tragegeschirr saß, richtete er sich auf, ging an dem Kreidepfeil an der Wand vorbei und legte ein scharfes Gehtempo vor, das schon fast ein Traben war.
9
Sie waren seit ungefähr einer Viertelstunde in diesem Halbtrab unterwegs, als sie auf ein Skelett in den Überresten einer verrottenden Militäruniform stießen. An dem Totenschädel hing noch ein Hautfetzen, aus dem lustlos ein schwarzes Büschel Haare spross. Die gebleckten Zähne grinsten, wie um sie in der Unterwelt willkommen zu heißen. Auf dem Boden neben dem weiß leuchtenden Beckenknochen lag ein Goldring, der zuletzt wohl von einem der zerfallenden Finger der rechten Hand des Toten geglitten war. Susannah bat Roland, sich den Ring näher ansehen zu dürfen. Er hob ihn auf und gab ihn ihr. Sie betrachtete ihn ausreichend lange, um ihre Vermutung bestätigt zu finden, und warf ihn dann fort. Der Ring klirrte kurz, und danach waren wieder nur tropfendes Wasser und das Flitzer-Glockenspiel zu hören – jetzt zwar leiser, aber unverändert beharrlich.
»Wie ich gedacht habe«, sagte sie.
»Und das wäre?«, fragte Roland, als er sich wieder in Bewegung setzte.
»Der Kerl war ein Elk. Mein Vater hatte denselben verdammten Ring.«
»Ein ›Elk‹? Das sagt mir nichts.«
»Das ist eine Bruderschaft. Sozusagen ein ›Good-ole-boy‹-Ka-Tet. Aber was zum Teufel hat ein Elk hier unten zu suchen gehabt? Wenn’s ein Shriner gewesen wäre … das könnte ich zur Not noch verstehen.« Worauf sie leicht irre lachte.
Die von der Decke hängenden Kugeln waren mit irgendeinem leuchtenden Gas gefüllt, das zwar rhythmisch, aber nicht ganz gleichmäßig pulsierte. Susannah ahnte, dass es hier etwas zu erkennen gab, und begriff es auch schon nach kurzer Zeit tatsächlich. Wenn Roland sich rasch bewegte, pulsierten die Leuchtkugeln schnell. Wurde er langsamer (ohne anzuhalten, aber irgendwie eben im Energiesparmodus), verringerte sich auch die Impulsfolge des Leuchtens. Sie glaubte zwar nicht ganz, dass das Pulsieren genau seinem – oder ihrem – Herzschlag entsprach, aber irgendwie gehörte er mit dazu. (Hätte sie das Wort Biorhythmus gekannt, hätte sie es sofort darauf angewendet.) Jeweils für die nächsten etwa fünfzig Meter vor ihnen war die Hauptstraße dunkel; erst bei ihrem Näherkommen flammten die Lampen jeweils auf. Es hatte fast etwas Hypnotisierendes an sich. Einmal drehte Susannah sich nach hinten um – nur einmal, sie wollte Roland ja nicht aus dem Tritt bringen – und stellte fest, dass die Lampen, jawohl, etwa fünfzig Meter hinter ihnen wieder erloschen. Die Lichter hier waren viel heller als die flackernden Leuchtkugeln am Anfang der Hauptstraße, und sie vermutete, dass das Flackern daher rührte, dass ihre Energiequelle (wie fast alles in dieser Welt) allmählich versagte. Dann fiel ihr auf, dass eine der Leuchten beim Annähern dunkel blieb. Als sie noch näher herankamen, um dann schließlich unter ihr hindurchzugehen, sah Susannah, dass sie nicht völlig tot war; ihr Kern leuchtete weiterhin
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