Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
mit ihr zu sterben. Und um ihr Baby zu töten, wenn sich eine Gelegenheit dazu bot. Gott sei ihm gnädig, aber in diesem Punkt hatte er sich geirrt. Sie hätten dem Leben des Ungeborenen bereits in der Calla ein Ende setzen sollen, als sie die Gelegenheit dazu noch gehabt hatten.
Etwas biss ihn tief in den Hals. Kruzifix oder nicht, nun würden die Vampire kommen. Wie die Haie würden sie über ihn herfallen, sobald sie seinen Lebenssaft erst einmal witterten. Hilf mir, Gott, gib mir Kraft, dachte Callahan und fühlte, wie neue Kraft in ihn strömte. Als Krallen nach ihm schlugen und ihm das Hemd zerfetzten, wälzte er sich nach links. Für einen Augenblick war seine rechte Hand frei, in der er weiter die Ruger hielt. Er richtete sie auf das erregte, verschwitzte, von Hass verzerrte Gesicht des fetten Kerls namens Andrew und setzte die Mündung der Pistole (die Jakes nicht wenig paranoider Vater, ein Fernsehmensch in leitender Stellung, in weit zurückliegender Vergangenheit zum Schutz seines Heims gekauft hatte) auf die weiche rote Wunde in der Stirnmitte des niederen Mannes.
»Nei-iiin, das wagst du nicht!«, rief Tirana, und als sie nach der Waffe griff, platzte das Oberteil ihres Abendkleids endgültig auf und setzte ihre gewaltigen Brüste frei. Sie waren mit struppigem Fell bedeckt.
Callahan drückte ab. In dem geschlossenen Raum klang der Schussknall der Ruger ohrenbetäubend laut. Andrews Kopf explodierte wie ein mit Blut gefüllter Kürbis und bespritzte die Wesen, die hinter ihm herandrängten. Sie ließen entsetzte, ungläubige Schreie hören. Callahan hatte noch Zeit zu denken: So war’s nicht gemeint, stimmt’s? Und: Genügt das, um in den Club aufgenommen zu werden? Bin ich schon ein Revolvermann?
Möglicherweise nicht. Aber da war noch der Vogelmensch, der zwischen zwei Tischen vor ihm stand und den Schnabel öffnete und schloss, während sein Hals vor Aufregung deutlich sichtbar pulsierte.
Während aus seinem zerfetzten Hals Blut auf den Teppich gepumpt wurde, stützte Callahan sich lächelnd auf den Ellbogen und zielte mit Jakes Ruger.
»Nein!«, rief Meiman und hob seine missgestalteten Hände in einer völlig wertlosen beschützenden Geste vors Gesicht. »Nein, Ihr KÖNNT NICHT …«
Kann ich doch, dachte Callahan mit kindlicher Freude und drückte wieder ab. Meiman machte zwei Stolperschritte rückwärts, dann noch einen dritten. Er prallte gegen einen der Tische und brach darauf zusammen. Drei gelbe Federn hingen zunächst über ihm in der Luft und segelten dann träge zu Boden.
Callahan hörte wildes Geheul, nicht vor Zorn oder Angst, sondern vor Hunger. Der Blutgeruch war schließlich in die verwöhnten Nasen der Altvorderen gestiegen, und sie würden sich jetzt von nichts mehr aufhalten lassen. Nun, wenn er nicht so werden wollte wie sie …
Pere Callahan, einst Father Callahan aus Jerusalem’s Lot, richtete die Mündung der Ruger auf sich selbst. Er verlor keine Zeit damit, in der Dunkelheit des Pistolenlaufs die Ewigkeit zu suchen, sondern drückte sie tief gegen die Unterseite seines Kinns.
»Heil, Roland!«, sagte er und wusste
(die Woge, sie werden von der Woge getragen)
dass er gehört wurde. »Heil, Revolvermann!«
Als die alten Ungeheuer über ihn herfielen verstärkte er den Druck auf den Abzug. Callahan wurde unter dem Gestank ihres kalten, blutlosen Atems begraben, aber nicht davon entmutigt. Er hatte sich noch nie so stark gefühlt. In seinem ganzen Leben war er am glücklichsten gewesen, als er ein einfacher Vagabund gewesen war, kein Geistlicher, sondern nur der Callahan der Landstraße, und er spürte, dass er bald wieder befreit sein würde, um jenes Leben fortzuführen und zu wandern, wohin es ihm gefiel, nachdem nun seine Pflicht getan war, und das war gut so.
»Mögest du deinen Turm finden, Roland, und ihn erstürmen, mögest du ihn bis ganz oben erklimmen!«
Die Zähne seiner alten Feinde, dieser uralten Brüder und Schwestern jenes Ungeheuers, das sich Kurt Barlow genannt hatte, gruben sich wie Stacheln in ihn. Callahan spürte sie nicht. Er lächelte, als er den Abzug betätigte und ihnen für immer entrann.
Kapitel II
V ON DER W OGE GETRAGEN
1
Auf der Rückfahrt entlang der unbefestigten Straße, auf der sie zum Haus des Schriftstellers in der Kleinstadt Bridgton gelangt waren, kamen Eddie und Roland an einem orangeroten Pick-up mit dem Schriftzug CENTRAL MAINE POWER MAINTENANCE. Auf den Türen vorbei. In der Nähe war ein Mann mit gelbem
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