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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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seines Atems und der anschwellende Pulsschlag des Sturms.
    Nort machte einen trockenen, tiefen Atemzug. Seine Hände zitterten und klopften unablässig auf die Tischplatte. Sheb kreischte und lief hinaus. Eine der Frauen folgte ihm.
    Der Mann in Schwarz sprang noch einmal, zweimal, dreimal. Jetzt vibrierte der ganze Leichnam, er zitterte und klopfte und zuckte. Der Gestank von Fäulnis und Exkrementen und Verwesung stieg in erstickenden Wogen auf. Er schlug die Augen auf.
    Alice spürte, wie ihre Füße sie nach hinten stießen. Sie prallte gegen den Spiegel, der wackelte, und blinde Panik kam über sie. Sie ging durch wie ein junger Stier.
    »Ich habe es Ihnen bewiesen«, rief ihr der Mann in Schwarz keuchend nach. »Jetzt können Sie beruhigt schlafen. Nicht einmal das ist unumkehrbar. Obwohl es… so… gottverdammt… komisch ist!« Und er fing wieder an zu lachen. Das Geräusch verhallte, während sie die Treppe hinaufstürzte und erst innehielt, als die Tür zu den drei Zimmern über dem Schankraum verriegelt war.
    Dann fing sie an zu kichern und wippte hinter der Tür auf den Fersen hin und her. Das Geräusch schwoll zu einem scharfen Wimmern an, das mit dem Wind verschmolz.
    Unten schlenderte Nort geistesabwesend in den Sturm hinaus, um sich etwas Gras zu zupfen. Der Mann in Schwarz, der mittlerweile der einzige Gast in der Bar war, sah ihm immer noch grinsend nach.
    Als sie sich an diesem Abend zwang, wieder nach unten zu gehen, mit einer Lampe in einer und einem schweren Stück Feuerholz in der anderen Hand, war der Mann in Schwarz samt Gespann und allem verschwunden. Aber Nort war da, er saß am Tisch neben der Tür, als wäre er nie weg gewesen. Er hatte den Geruch von Gras an sich, aber nicht so stark, wie sie erwartet hatte.
    Er sah zu ihr auf und lächelte schüchtern. »Hallo, Allie.«
    »Hallo, Nort.« Sie legte das Feuerholz weg und fing an, die Lampen anzuzünden, freilich ohne ihm den Rücken zuzuwenden.
    »Ich wurde von Gott berührt«, sagte er schließlich. »Ich werde nicht mehr sterben. Das hat er mir gesagt. Es war ein Versprechen.«
    »Wie schön für dich, Nort.« Der Fidibus, den sie hielt, fiel ihr aus den zitternden Fingern, sie hob ihn wieder auf.
    »Ich würde gerne mit dem Graskauen aufhören«, sagte er. »Es macht mir keinen Spaß mehr. Es scheint für einen Mann, der von Gott berührt worden ist, nicht richtig zu sein, das Gras zu kauen.«
    »Warum hörst du dann nicht auf?«
    Ihr Zorn verleitete sie überraschenderweise dazu, ihn wieder als einen Menschen anzusehen, nicht als ein teuflisches Wunder. Sie sah ein recht traurig aussehendes Exemplar, das nur halb berauscht war und zerknirscht und beschämt aussah. Sie konnte keine Angst mehr vor ihm haben.
    »Ich zittere«, sagte er. »Und ich will es haben. Ich kann nicht aufhören. Allie, du warst immer so gut zu mir…«, er fing an zu weinen. »Ich kann nicht einmal aufhören, mir in die Hose zu machen.«
    Sie ging zu dem Tisch und blieb dort zögernd und unsicher stehen.
    »Er hätte machen können, daß ich es nicht mehr haben will«, sagte er unter Tränen. »Das hätte er tun können, wenn er mich wieder zum Leben erwecken konnte. Ich beschwere mich nicht. Ich will mich nicht beschweren…« Er sah sich gehetzt um und flüsterte: »Er könnte mich töten, wenn ich es tun würde.«
    »Vielleicht ist es ein Witz. Er schien einen eigenartigen Sinn für Humor zu haben.«
    Nort griff nach seinem Beutel, der im Hemd baumelte, und holte eine Handvoll Gras heraus. Sie schlug es ohne nachzudenken weg und zog dann entsetzt die Hand zurück.
    »Ich kann nichts dafür, Allie, ich kann nichts…« und er vollführte einen gebrechlichen Sprung nach dem Beutel. Sie hätte ihn aufhalten können, aber sie unternahm keinen Versuch. Sie machte sich wieder daran, die Lampen anzuzünden; sie war müde, wenngleich der Abend noch kaum angefangen hatte. Doch an diesem Abend kam niemand, außer dem alten Kennerly, der alles verpaßt hatte. Er schien nicht besonders überrascht zu sein, Nort zu sehen. Er bestellte ein Bier, erkundigte sich, wo Sheb war, und begrapschte sie. Am nächsten Tag war fast alles wieder beim alten, doch die Kinder hatten aufgehört, Nort zu folgen. Am Tag danach fingen die Spottrufe wieder an. Das Leben war zu seiner liebgewonnenen Routine zurückgekehrt. Die Kinder sammelten das entwurzelte Getreide ein, und eine Woche nach Norts Auferstehung verbrannten sie es auf der Straße. Das Feuer brannte einen Augenblick lichterloh,

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